Der Sport hat in den letzten Jahrzehnten eine ungeahnte gesellschaftliche Bedeutung erlangt. Die Faszination der einst "wichtigsten Nebensache der Welt" hat mittlerweile alle Bevölkerungsschichten erfasst und stellt für viele Kinder, Jugendliche und Erwachsene ihr liebstes Freizeitvergnügen dar. Die Zahl der in Vereinen registrierten Sportler und Sportlerinnen ist in Vorarlberg von ca. 56.000 zu Beginn der 1970er Jahre kontinuierlich auf über 120.000 zu Beginn des Jahres 2005 angewachsen. Viele Tausende betätigen sich ohne Vereinszugehörigkeit mehr oder weniger sportlich auf Skipisten, in Fitness-Studios, Tennis- oder Squashhallen, joggen oder radeln durch die Natur und erwandern unsere Bergwelt. Das Heer der aktiv Tätigen wird ergänzt durch Abertausende "passive" Sportkonsumenten, die zum Teil in den Medien, zum Teil als Zuschauer das nationale und internationale Sportgeschehen "fachmännisch" mitverfolgen.
Zur Organisation des Sports
Der Sport ist auf drei Ebenen organisiert: in Vereinen, Fach- und Dachverbänden.
Die rund 870 Sportvereine des Landes bilden die Keimzellen sportlicher Tätigkeit. Sie sorgen für eine solide sportliche Grundausbildung und bieten über die rein sportliche Betätigung hinaus oft attraktive Formen von Gemeinschaft und Geselligkeit. Gerade in den letzten Jahren hat der traditionelle vereinsgebundene Sport aber ernste Konkurrenz durch kommerzielle Sportanbieter (Fitness-Studios, Sportparks, Tennishallen usw.) bekommen. Sich dieser Konkurrenz zu stellen wird für die Sportvereine eine der zentralen Aufgaben der Zukunft sein.
Vereine der gleichen Sportart wiederum gehören einem Fachverband an. Die Fachverbände betreuen österreich- bzw. landesweit vor allem den Leistungssport und sind für die Organisation von Landes- und nationalen Meisterschaften verantwortlich. Mit Ende 2004 waren bei der Sportabteilung des Landes Vorarlberg 56 Fachverbände registriert (von Aikido bis zum Vorarlberger Volleyballverband).
Die dritte Ebene stellen die Dachverbände dar. Die Dachverbände verstehen sich österreichweit als Interessenvertretungen der einzelnen Fachverbände. In Vorarlberg gibt es drei Dachverbände: den Vorarlberger Sportverband (= VSV; 1945 gegründet; überparteilich; ca. 70.000 Mitglieder), den Landesverband Vorarlberg der Arbeitsgemeinschaft für Sport und Körperkultur Österreichs (= ASKÖ; 1946 gegründet; sozialistisch; ca. 17.000 Mitglieder) und den Landesverband der Österreichischen Turn- und Sportunion (= Union; 1956 gegründet; überparteilich; ca. 33.000 Mitglieder).
Der Beitrag des Landes Vorarlberg
Das gesamte Sportwesen in Österreich ist nach der Verfassung Landessache. 1968 verpflichtete der Vorarlberger Landtag das Land und die Gemeinden per Gesetz, den "im Interesse der Gemeinschaft gelegenen Sport nach Kräften zu fördern" (Landesgesetzblatt Nr. 9/1968). Dieses Gesetz beinhaltet auch die Errichtung eines Sportbeirates beim Amt der Landesregierung. Der Landessportbeirat ist zu einem wichtigen Instrument im Vorarlberger Sportwesen geworden. Ihm kommt die Aufgabe zu, die Landesregierung in allen wesentlichen Angelegenheiten des Sports zu beraten (z.B. Zuteilung der Förderungsmittel an die Dachverbände, Fachverbände und Vereine; Sportstättenleitplan; Förderung des Breiten- und Spitzensports). Im Landessportbeirat sind die drei Vorarlberger Dachverbände entsprechend ihrer Mitgliedsstärke vertreten. Wurden 1971 vom Land noch 3 Millionen Schilling (= 220.000 Euro) an Sportförderung ausgeschüttet, so stieg das Sportbudget der Vorarlberger Landesregierung 2004 auf über 7,7 Millionen Euro an.
Im Lauf der Jahre wurden vom Land Vorarlberg auch einige weitere wesentliche Impulse für die Entwicklung des Vorarlberger Sportwesens gesetzt, z.B. die Errichtung der Landessportschule in Dornbirn (1970), das Institut für Sportmedizin in Feldkirch (1979), die Einführung von Entschädigungen für Übungsleiter (1986), das Sportinformationszentrum in Dornbirn (1996) sowie das Vorarlberger Olympiamodell (2001).
Eindrucksvolle Leistungsbilanz
Seit 1945 haben Vorarlberger Sportler und Sportlerinnen zehn Gold-, neun Silber- und sieben Bronzemedaillen bei Olympischen Spielen sowie mehr als 50 Titel bei Weltmeisterschaften allein in Einzeldisziplinen errungen (Hinweis: Medaillenbilanz ohne Versehrtensport). Die Palette der internationalen Erfolge reicht dabei vom Olympiasieg von Trude Jochum-Beiser im Abfahrtslauf 1948 in St. Moritz bis zu den Weltmeistertiteln 2004 von Roswitha Denifl und Susanne Sohm-Armellinin im Eisstockschießen bzw. von Daniel Ladurner im Inlineskaten.
Die beeindruckenden Ergebnisse von Vorarlberger Sportlern und Sportlerinnen bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften sind in einem eigenen statistischen Anhang zusammengefasst. Die wichtigsten Stationen der Vorarlberger Sportgeschichte sollen jedoch kurz sportartspezifisch besprochen werden.
An Erfolgen gemessen ist der Skisport eindeutig Vorarlbergs Sportart Nummer eins. Trude Jochum-Beiser (1948 und 1952), Othmar Schneider (1952), Egon Zimmermann (1964), Hubert Strolz (1988), Anita Wachter (1988), Patrick Ortlieb (1992) und Mario Reiter (1998) gewannen Olympisches Gold im alpinen Rennsport. Der für Luxemburg startende Lustenauer Marc Girardelli war mit 46 Weltcupsiegen, fünf Weltcupgesamtsiegen, elf Weltmeisterschaftsmedaillen und zwei Olympiamedaillen der erfolgreichste Rennläufer in der Geschichte des alpinen Skilaufs. Die Montafonerin Anita Wachter wurde Ende 1999 sogar zur Vorarlberger "Sportlerin des Jahrhunderts" gewählt. Der 4. Platz von Kilian Albrecht im Slalom bei den Olympischen Spielen 2002 in Salt Lake City (USA) bildet den vorläufigen Schlusspunkt in einer fast endlosen Liste nationaler und internationaler Erfolge im alpinen Skisport. Überragender Athlet im Bereich des Nordischen Skilaufs war der heutige ÖSV-Sportdirektor Toni Innauer. Innauer gewann 1976 als 17-Jähriger bei den Olympischen Spielen in Innsbruck die Silbermedaille, verbesserte den Weltrekord im Skifliegen auf 176 m und gewann 1980 in Lake Placid die Olympia-Goldmedaille auf der Normalschanze. Aber auch im Firngleiten (Ignaz Ganahl), Tiefschneefahren (Bernd Greber, Christa Hartmann), Skibobfahren (Dietmar Lerchster), Paraskifahren (Alexandra Gutgsell-Überbacher) und Shortcarven (Stefanie Klocker, Jan Klocker) kamen Vorarlberger Sportler und Sportlerinnen zu Europa- oder Weltmeisterehren.
1960 gewann der Egger Schütze Hubert Hammerer bei den Olympischen Spielen in Rom als erster Vorarlberger eine Olympiagoldmedaille in einer Sommersportart. Hammerer gewann 44-mal den Titel eines österreichischen Meisters und war über ein Jahrzehnt der beste Schütze Österreichs. Auch in der Folge waren Vorarlberger Schützen immer wieder national und international sehr erfolgreich. Wolfram Waibel sen. startete bei fünf Olympischen Spielen und gewann nicht weniger als 75 österreichische Meistertitel. Mit 400 von 400 möglichen Ringen erreichte er einen "Weltrekord für die Ewigkeit". Wolfram Waibel jun. war bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta mit einer Silber- und einer Bronzemedaille der erfolgreichste Sportler Österreichs. Er betreut seit Herbst 2004 das Olympiamodell Vorarlberg.
Schon während der Ersten Republik zeigten sich die Vorarlberger Turnvereine als "Lehrmeister" für die übrigen Vereine Österreichs. Vorarlberg blieb auch nach dem Zweiten Weltkrieg über viele Jahrzehnte die Turnerhochburg Österreichs. Der Bregenzer Hans Sauter gewann von 1947 bis 1959 insgesamt 39 Staatsmeistertitel und startete bei vier Olympischen Spielen. Kaum weniger erfolgreich war der Röthner Thomas Zimmermann. Er erreichte 38 Staatsmeistertitel und nahm an insgesamt zwölf Weltmeisterschaften teil. Aber auch im Bereich Rhythmische Sportgymnastik konnten Vorarlberger Athletinnen schöne Erfolge feiern. Monika Bachmann und Tanja Alge prägten über viele Jahre diese Sportart in Österreich und haben mit der jungen Dornbirnerin Caroline Weber eine würdige Nachfolgerin gefunden. Als erste Österreicherin konnte sich Weber 2004 bei einem Weltcupbewerb unter den "Top Ten" platzieren.
Erfolgreichster Leichtathlet des "Ländle" ist der Rankweiler Klaus Bodenmüller. Er gewann 1990 den Europameistertitel im Kugelstoßen in der Halle und wurde ein Jahr später bei den Hallenweltmeisterschaften Zweiter. Mit einem 6. Rang bei den Olympischen Spielen in Barcelona beendete Bodenmüller 1992 seine Karriere. Erfolgreichste Athletin war die Bregenzerin Brigitte Ortner-Haest. Sie startete insgesamt bei zehn Europameisterschaften und war über ein Jahrzehnt eine der schnellsten österreichischen Sprinterinnen. Das von Ing. Konrad Lerch ins Leben gerufene Götzner Mehrkampfmeeting ermöglicht es dem Vorarlberger Sportpublikum Jahr für Jahr, Weltklasseleistungen hautnah mitzuerleben. Internationale Topstars wie Daley Thompson, Jackie Joyner-Kersee oder zuletzt Roman Sebrle und Carolina Klüft begründeten weltweit den Ruf von Götzis als Mekka der Mehrkämpfer. Unvergessen der Weltrekord im Zehnkampf von Roman Sebrle beim Meeting 2000, als der spätere Olympiasieger von Athen mit 9.026 Punkten als erster Athlet der Welt die magische 9.000-Punkte-Grenze übertraf.
Fußball, Eishockey und Motorsport sind nach wie vor die publikumswirksamsten Sportarten Vorarlbergs. War es vor dem Ersten Weltkrieg der FC Lustenau 1907, der das heimische Fußballgeschehen dominierte, so stellte in jüngster Vergangenheit SW Bregenz den erfolgreichsten Fußballclub des Landes dar. Der herausragendste Vorarlberger Fußballer ist der Lauteracher Bruno Pezzey (1994 verstorben), der seine größten Triumphe in den 1980er Jahren in der Deutschen Bundesliga bei Eintracht Frankfurt und Werder Bremen feierte. Pezzey wurde 83-mal in die österreichische Nationalmannschaft berufen und erhielt internationale Wertschätzung durch mehrere Nominierungen für Europa- und Weltauswahlmannschaften. Im Eishockey war die VEU Feldkirch viele Jahre der absolute Publikumsmagnet im Land. Insgesamt neun Mal gewann die VEU den österreichischen Meistertitel, einmal sogar das Euroligafinale der besten Eishockeyclubs Europas. Im Motorsport gelang 2004 dem jungen Hohenemser Christian Klien eine Sensation. Als erster Vorarlberger konnte er in einem Jaguar-Cockpit eine ganze Formel-1-Saison bestreiten.
Wesentlich zum Ansehen des Vorarlberger Sports haben in den letzten vier Jahrzehnten die Versehrtensportler und -sportlerinnen beigetragen. 1957 wurde der Vorarlberger Versehrtensportverband gegründet, 1971 nahmen erstmals Vorarlberger Versehrtensportler und -sportlerinnen an internationalen Wettkämpfen teil. Im Zeitraum 1971 bis 2004 gewannen sie mehr als 150 Medaillen bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften. Athleten wie Josef Meusburger (sechsfacher Olympiasieger im alpinen Skisport), Brigitte Madlener-Weiß (vierfache Olympiasiegerin, zweifache Weltmeisterin, Skisport), Hildegard Fetz (zweifache Olympiasiegerin, Skisport), Harald Roth (mehrfacher Olympiasieger, Welt- und Europameister in der Leichtathletik), Arno Hirschbühl (Olympiasieger und Weltmeister, Skisport), Klaus Salzmann (Weltmeister im Skifahren, Tennis) oder – gerade in den letzten Jahren – Robert Meusburger (Weltmeister, Skisport) und Jürgen Egle (Olympiasieger, Skisport) haben bewiesen, zu welch großartigen Leistungen Versehrte befähigt sind.
Die Zukunft des Sports
In den letzten Jahren hat sich die Sportszene grundlegend geändert. Der Sammelbegriff Sport umfasst heute den hoch spezialisierten, omnimedienpräsenten Hochleistungssport der Profis ebenso wie den Wettkampfsport von Kindern, Jugendlichen oder Senioren, den Breiten-, Freizeit- und Alternativsport sowie den Gesundheitssport. Neue Sportarten wie Snowboarden, Beach-Volleyball, Inlineskating oder Mountainbiking sprechen vor allem die Jugendlichen an und ermöglichen ein aktives Sportbetreiben ohne Vereinszugehörigkeit. Und wer sich nicht selbst aktiv in die Reihe der Sport Treibenden einreiht, kann sich kaum dem Bann des Medienspektakels Sport entziehen.
Vieles spricht dafür, dass der Sport auch im neuen Jahrtausend – möglicherweise mehr denn je – eine wichtige Rolle in der Gesellschaft spielen wird. Welcher Sport, welche Formen und Inhalte dies sein werden, wird nicht zuletzt von den Sportlern und Sportlerinnen selbst bestimmt werden. L.P.