BILD: Logo Vorarlberg Chronik
Zur Trefferliste

|Artikel|

Zwei Generaläbte des Zisterzienserordens aus der Mehrerau

Mit den Generaläbten Dr. Kassian Haid (1879–1949) und Dr. Sighard Kleiner (1904–1995) bekleideten gleich zwei Patres der Mehrerau im 20. Jahrhundert das höchste Amt im Orden der Zisterzienser.

Josef Haid wurde am 26. November 1879 in Ötz in Tirol geboren. Der begabte Gastwirtssohn besuchte das Gymnasium in Brixen, Mehrerau und Hall, bevor er 1897, noch vor Ablegung der Reifeprüfung, um Aufnahme in das Kloster Mehrerau ansuchte. Nach seiner Priesterweihe 1903 studierte Pater Kassian, so sein Ordensname, Geschichte und Geografie in Innsbruck und kehrte schließlich nach einem Studienaufenthalt am österreichischen historischen Institut in Rom in die Mehrerau zurück. Hier wurde er 1909 zum Direktor der Hauslehranstalten ernannt. 1917 wurde Kassian Haid mit großer Mehrheit zum 50. Abt von Wettingen-Mehrerau gewählt. In seine Zeit als Schuldirektor (bis 1919) und Abt der Mehrerau fielen zahlreiche Veränderungen, die für das Kloster bis heute von Bedeutung geblieben sind – darunter der Ausbau der Schule zu einem Vollgymnasium mit Öffentlichkeitsrecht und die Eröffnung des Sanatoriums Mehrerau 1923. Der Kauf der von der Mehrerau als Propstei neu eingerichteten Wallfahrtskirche Birnau im Jahr 1919 war ihm ein großes Anliegen. Auch die Klärung der kirchenrechtlichen Stellung der Mehrerau als 'Abbatia Nullius', d.h. eine dem Apostolischen Stuhl unmittelbar unterstehende Abtei, fiel in diese Zeit.

Schon bald wurde Abt Kassian Haid wieder zu neuen Aufgaben berufen. 1920 nahm er seine Wahl zum Generalabt des Zisterzienserordens an, freilich unter der Bedingung, nicht – wie für den Generalabt üblich – in Rom residieren zu müssen. Die neue Aufgabe war mit zahlreichen Visitationsreisen und Fahrten in die Heilige Stadt verbunden, wo sich das Generalat des Zisterzienserordens im Aufbau befand. Während seiner Zeit als Generalabt kam es auch zur Gründung neuer und zur Angliederung bereits bestehender Häuser an die Mehrerauer Kongregation. Als 1927 endgültig Rom als Residenz des Generalabtes bestimmt wurde, bat Kassian Haid um Enthebung von seinem Amt, um die Abtei Mehrerau nicht aufgeben zu müssen.

Der Anschluss Österreichs an Deutschland brachte eine tief greifende Wende im Leben des bis dahin sehr tatkräftigen Abtes. Gesundheitlich bereits angegriffen, verließ Kassian Haid Österreich noch im Juni 1938. Aus der Schweiz, wo er sich in den nächsten Jahren aufhielt, musste er die Schließung seiner Schulen sowie die Beschlagnahmung und Aufhebung der Mehrerau durch die Gestapo miterleben. Während dieser für ihn ruhelosen Zeit kümmerte sich Abt Kassian um die ihm unterstellten fünf Frauenklöster und widmete sich den Vorbereitungen zur Wiederbesiedelung des Priorats Hauterive (Fribourg). Zwar war es dem Abt, dessen besonderes Interesse stets den historischen Studien und der Ordensgeschichte galt, noch vergönnt, die Wiederaufnahme des klösterlichen Lebens in der Mehrerau zu erleben; am 22. September 1949 verstarb er jedoch nach langer, schwerer Krankheit und wurde in der Mehrerauer btegruft zur letzten Ruhe gebettet.

Als einer der ersten Maturanten des von Abt Kassian Haid zum Vollgymnasium ausgebauten Kollegiums St. Bernardi legte Karl Kleiner, am 7. Oktober 1904 als Sohn des Vorarlberger Landesarchivars Viktor Kleiner in Bregenz geboren, 1923 die Reifeprüfung ab. Nach dem Theologiestudium in Innsbruck und Paris wurde er am 6. September 1928 im Bregenzer Gallusstift zum Priester geweiht und trat einige Tage später als Novize in Mehrerau ein, wo er den Namen Sighard erhielt. Seine Studien setzte Pater Sighard am Angelicum in Rom fort, wo er 1931 zum Doktor der Theologie promovierte. Nach der Rückkehr in die Mehrerau unterrichtete er bis 1938 an der dortigen theologischen Hochschule Philosophie und Dogmatik sowie Religion am Gymnasium und war als Novizenmeister, Kantor und Präses der Marianischen Kongregation tätig.

Als in Folge des Anschlusses 1938 die Aufhebung des Klosters Mehrerau drohte, berief Abt Kassian Haid Pater Sighard in die Schweiz. 1939 bestellte er ihn zum ersten Prior des alten Klosters Hauterive (Fribourg), für dessen Wiederbesiedelung der Abt in erster Linie junge, politisch gefährdete oder vom Kriegsdienst bedrohte Patres auswählte. Unter großen Anstrengungen gelang es dem jungen Prior in den darauf folgenden Jahren, die Neugründung innerlich zu festigen und ihr auch Anerkennung nach außen zu verschaffen.

Beim ersten Zusammentreten des Generalkapitels des Zisterzienserordens nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Sighard Kleiner im Herbst 1950 zum Generalprokurator des Ordens gewählt und am 5. November zum Abt geweiht. 1953 erfolgte seine Wahl zum Generalabt – ein Amt, das er über 30 Jahre lang innehaben sollte. In dieser Funktion war er von 1962 bis 1965 Mitglied des Zweiten Vatikanischen Konzils. Er besuchte mehrmals alle Zisterzienserklöster auf der ganzen Welt und leitete periodische Versammlungen der btissinnen und bte. 1985 entschloss sich der bei allen kirchlichen Stellen in Rom hoch angesehene Abt auf Grund seines hohen Alters zur Resignation und zog sich in sein Kloster Hauterive zurück. Der Träger des Goldenen Ehrenzeichens des Landes Vorarlberg verstarb am 5. Dezember 1995 im Sanatorium Mehrerau. S.G.

ARTIKEL
Bild: Generalabt Dr. Kassian Haid (1879-1949)
Generalabt Dr. Kassian Haid (1879-1949)
Bild: Generalabt Dr. Sighard Kleiner (1904-1995)
Generalabt Dr. Sighard Kleiner (1904-1995)