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Herbert Keßler 1925

1984 wurde mit Stimmen aus allen Parteien eine Reform der Landesverfassung beschlossen. Die Verankerung der Familie in der Landesverfassung bezeichnet der damalige Landeshauptmann Dr. Herbert Keßler als seinen größten politischen Erfolg: 'Das Land hat die Ehe und die Familie als natürliche Grundlage der menschlichen Gesellschaft zu schützen und zu fördern!'
Für Keßler hat sich die Politik seiner Gesinnungsgemeinschaft ÖVP an der im "Naturrecht wurzelnden christlichen Verantwortung" zu orientieren. Seiner Meinung nach ist der Einzelpersönlichkeit, dem Privateigentum, der sozialen Marktwirtschaft und der Begabung der Vorzug gegenüber dem Kollektiv, dem Staatseigentum, der Planwirtschaft und der Nivellierung zu geben, um damit die persönliche Freiheit besser wahren zu können. Föderalismus und Subsidiarität – Stärkung, Wahrung und Förderung der sinnvollen kleinen Einheit –, Rechtsstaat und Solidarität waren die Grundlagen seiner Arbeit.

Herbert Keßler wurde am 2. Februar 1925 in Gais/Bludesch als Sohn des späteren Rankweiler Gemeindearztes geboren. Bis zu dessen Zwangsauflösung besuchte er das weit über Vorarlberg und Österreich hinaus bekannte Gymnasium der Jesuiten, die Stella Matutina in Feldkirch, und legte dann die Matura an der Oberschule in Feldkirch ab. Danach kam er zum Reichsarbeitsdienst und im September 1943 wurde er als Rekrut zu den Gebirgsjägern in Oberitalien und an die Westfront eingezogen. Nach dem Krieg inskribierte er in Innsbruck Jus, absolvierte einen Abiturientenkurs der Handelsakademie und trat noch vor den Novemberwahlen 1945 der Innsbrucker ÖVP bei. Nach der Promotion 1949 begann seine berufliche Laufbahn in der Finanz- und Sozialabteilung im Amt der Vorarlberger Landesregierung und bei der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch. 1954 wurde er in den Landtag und ein Jahr später in die Rankweiler Gemeindevertretung entsandt, die ihn 1957 zum Bürgermeister wählte. Noch vor der Landtagswahl 1964 schlug Landeshauptmann Ulrich Ilg den erst 39-jährigen Keßler als seinen Nachfolger vor. Bei den Landtagswahlen 1969 konnte Keßler mit 105 Stimmen Überhang gerade noch die absolute Mehrheit retten. Danach besserten sich die Wahlergebnisse, da die Oppositionsrolle der ÖVP auf Bundesebene der Vorarlberger ÖVP eine starke Opposition "gegen Wien" erlaubte. 1984, beim Einzug der Grünen in den Landtag mit starker Unterstützung der "Vorarlberger Nachrichten", schrumpfte die ÖVP mit Keßler um sechs Prozent auf gut 51 Prozent.

Den Medien begegnete Keßler offen; der Grundsatz aber, "niemals eine liebedienerische Haltung gegenüber Medienvertretern" einzunehmen, hat ihm seiner Einschätzung nach auch manche Schwierigkeiten gebracht.

Während Ilg zur Zeit der Aufbauphase der tagespolitischen Probleme in einer Art "Aktion-Reaktions-Verfahren" Herr zu werden versuchte, setzte Keßler bereits auf "Programme", die nach und nach in Regierungskonzepte mündeten und schließlich als Vorlage für die Regierungsarbeit dienten. Die zuerst "einfachen Lösungen" wichen mit zunehmender Modernisierung "Modellen", bei denen versucht wurde, Entstehung, Nutzen und Abschätzung der Folgen in Einklang zu bringen. Vorarlberg nahm während Keßlers 23-jähriger Amtszeit von 1964 bis 1987 eine überaus dynamische Entwicklung. Die Bevölkerung stieg von 240.000 auf 320.000, die Zahl der Beschäftigten von 61.000 auf 117.000; 1961 besaß jeder elfte, 1986 jeder dritte Bürger ein Auto; 1965 betrug das Landesbudget 420 Mio., 1987 7,2 Mrd. – eine Steigerung um das Siebzehnfache.

Modernisierungen gab es in allen Bereichen, insbesondere in der Landesverwaltung (Fertigstellung des neuen Landhauses 1981), im Wohnbau, in der Raumplanung und im Straßenbau (Rheintalautobahn und Arlbergtunnel), aber auch im Bereich der Kultur, wo teilweise gegen heftigen Widerstand zum Beispiel sinnvoller Denkmalschutz mit Zukunftsperspektiven vereint werden konnte –  etwa mit dem Zentrum für Wissenschaft und Weiterbildung in Schloss Hofen in Lochau, dem Landeskonservatorium in der ehemaligen Stella Matutina in Feldkirch oder der Vorarlberger Landesbibliothek im ehemaligen Gallusstift. Zuletzt, Mitte der 1980er Jahre, fiel ein Viertel des Landesbudgets auf die Bereiche Schule, Kultur, Wissenschaft und Sport. Am 9. Juli 1987 zog Keßler sich aus der Landespolitik zurück. Keßler ist mit Inge geb. Beck verheiratet und Vater einer Tochter und zweier Söhne. Kl.

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Bild: Herbert Keßler, Landeshauptmann 1964–1987, Gemälde von Eugen Jussel
Herbert Keßler, Landeshauptmann 1964–1987, Gemälde von Eugen Jussel
Bild: Die Eröffnung des Arlberg-Straßentunnels 1978 war eines der wichtigsten Ereignisse für 
Vorarlberg während der Regierungszeit von Landeshauptmann Herbert Keßler (v.l.n.r.: Eduard Wallnöfer, Landeshauptmann von Tirol, Bundespräsident Rudolf Kirchschläger, Bundeskanzler Bruno Kreisky).
Die Eröffnung des Arlberg-Straßentunnels 1978 war eines der wichtigsten Ereignisse für Vorarlberg während der Regierungszeit von Landeshauptmann Herbert Keßler (v.l.n.r.: Eduard Wallnöfer, Landeshauptmann von Tirol, Bundespräsident Rudolf Kirchschläger, Bundeskanzler Bruno Kreisky).