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Die französische Besatzungszeit

Die Befreiung unseres Landes vom Nationalsozialismus erfolgte durch französische Truppen (v.a. Teile der 5. Panzerdivision und die 4. Marokkanische Gebirgsdivision), die am 29. April 1945 die Vorarlberger Grenze überschritten. Einheiten der Wehrmacht und der SS stellten sich ihnen an verschiedenen Orten noch entgegen, z.B. bei Bregenz. Durch Artilleriebeschuss und Luftangriffe wurden dort rund 80 Häuser zerstört und es gab Tote. An mehreren Orten wurde den einmarschierenden Franzosen jedoch auch vom einheimischen Widerstand geholfen. So erreichten sie nach einem militärischen 'Spaziergang' (so der französische Oberkommandierende, General Béthouart) am 6. Mai den Arlberg.

Zunächst waren die Ortskommandanten unumschränkte Herrscher. Dann wurde die Militärregierung für Vorarlberg unter Colonel Henri Jung eingerichtet. Am 24. Mai hatten die Franzosen schon einen Landesausschuss (also eine Provisorische Landesregierung) unter Ulrich Ilg eingesetzt, der – immer unter der Kontrolle der Besatzungsmacht – versuchte, eine neue, rechtsstaatliche Verwaltung aufzubauen. Am 10. Juli 1945 wurde Tirol von den US-Amerikanern an die Franzosen übergeben und in der Folge wurde in Innsbruck die Zonenverwaltung für beide Bundesländer installiert.

Die militärischen Befehlshaber hatten für Ruhe und Ordnung zu sorgen; die NSDAP, ihre Organisationen und Gliederungen waren aufzulösen und zu verbieten, die führenden Nationalsozialisten zu internieren (rund 3.200 Personen wurden von den Franzosen interniert, ihre Fälle untersucht und etwa jeder zehnte der Staatsanwaltschaft übergeben; die Internierungslager wurden Ende 1946 aufgelassen); Kriegsverbrecher waren zu verhaften; nationalsozialistische Gesetze waren als hinfällig zu betrachten; jede rassische oder andere den nationalsozialistischen Ideen verpflichtete Diskriminierung war zu unterbinden; der öffentliche Dienst sollte von allen "reichs"-deutschen und nationalsozialistischen Elementen gesäubert werden (rund ein Fünftel der Bediensteten wurde bis Ende 1946 aus dem Dienst entfernt); Flüchtlinge und "displaced persons" (im Mai 1945 über 65.000 Menschen!) mussten versorgt und so rasch wie möglich repatriiert werden; schließlich war die Zivilbevölkerung mit Lebensmitteln zu versorgen (das funktionierte auf Grund der wirtschaftlichen Schwäche Frankreichs – durch deutsche Besatzung und Kriegsfolgen selbst verwüstet – mehr schlecht als recht; erst als die US-Amerikaner und dann die UNRRA mit Nahrungsmittellieferungen aushalfen, konnte wenigstens das Lebensminimum garantiert werden); der Bevölkerung sollte schließlich deutlich vor Augen geführt werden, dass Österreich von Deutschland getrennt, die Herrschaft der Nationalsozialisten zu Ende war und dass die Alliierten ein freies, selbstständiges und wirtschaftlich lebensfähiges Österreich wiederhergestellt sehen wollten.

Nach den demokratischen Nationalrats- und Landtagswahlen vom 25. November 1945 nahmen die Alliierten ihre Kontrolle zurück und beschränkten sie (2. Kontrollabkommen, 28. Juni 1946) auf einige wesentliche Bereiche. Da der Staatsvertrag nicht, wie erhofft, nach zwei, drei Jahren abgeschlossen wurde (Österreich geriet in die Mühlen des Kalten Krieges), blieb Österreich bis 1955 ein von den vier Mächten besetztes Land. Doch schon 1953 hatten die Franzosen ihre Truppen abgezogen (es verblieben nur mehr einige Kontrolloffiziere und Gendarmen).

Den französischen Truppen in Österreich war klar gemacht worden, dass sie sich in einem Freundesland aufhielten. Dennoch waren es natürlich Besatzungstruppen und es gab auch Auseinandersetzungen mit der Bevölkerung – etwa wegen Beschlagnahmungen von Wohnungen oder Requirierungen von Lebensmitteln. Die Übergriffe blieben jedoch beschränkt, die Truppen waren in der Regel diszipliniert. Sehr bald konnten auch Verbindungen zwischen der weiblichen Bevölkerung und den Truppen festgestellt werden; dabei scheinen gerade die marokkanischen Soldaten "das Objekt einer gewissen Vorliebe" gewesen zu sein (wie der französische Botschafter in Bern nach Paris meldete). Die Reaktion der einheimischen Bevölkerung auf diese "Fraternisierung" war mitunter sehr ablehnend; und die Frauen wie die Kinder aus diesen Beziehungen bekamen das noch lange zu spüren.

Dennoch war das Verhältnis auf politischer wie menschlicher Ebene im Großen und Ganzen tatsächlich freundschaftlich. Vor allem in der ersten Zeit war die Hilfe der Besatzungsmacht wesentlich für die Stabilisierung der Verhältnisse und den Beginn des demokratischen Wiederaufbaus.
In der ersten Direktive zur französischen Politik in Österreich hieß es: "Das wesentliche Ziel unserer Politik besteht darin, ein unabhängiges, vollkommen von Deutschland losgelöstes und wirtschaftlich lebensfähiges Österreich zu schaffen." Die verantwortlichen Besatzungsoffiziere setzten alles daran, dies zu verwirklichen. K.E.

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