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Printmedien in Vorarlberg

Eine Besonderheit der Vorarlberger Medien ist, dass sie eine außergewöhnlich große Rolle für die Identität der Menschen und für den politischen Prozess spielen. Vor allem die Vorarlberger Zeitungen ziehen seit Jahren europaweit große Beachtung auf sich. Die Zeitungslandschaft wird dominiert durch die 'Vorarlberger Nachrichten' (VN). Das Blatt wird in einem modernen Redaktions- und Druckzentrum in Schwarzach hergestellt. Die "VN" haben eine für Tageszeitungen außergewöhnliche Reichweite: Fast 80% der Vorarlberger Bürger greifen täglich zu den "VN". Viele Journalisten und Zeitungsmacher blickten nach Vorarlberg, als die "VN" ihr früheres, eher konservatives Lay-out auswechselten und durch ein inzwischen durchgängig farbiges Lay-out mit kurzen Artikeln und vielen grafischen Elementen ersetzten. Diese Art Zeitung zu machen ist dabei keineswegs unumstritten: Manche Medienschaffenden sehen die "Vorarlberger Nachrichten" als zukunftsweisend und vorbildlich, andere kritisieren die knappen Darstellungsformen und die Dominanz grafischer Elemente. Die "VN" sind zu den in den jeweiligen Ländern erscheinenden so genannten Bundesländer-Zeitungen zu zählen: Die "Salzburger Nachrichten", die "Oberösterreichischen Nachrichten", die "Tiroler Tageszeitung", die "Wiener Zeitung" sowie die in Graz und Klagenfurt erscheinende "Kleine Zeitung" werden zusammen mit den "VN" wegen ihrer traditionell marktbeherrschenden Stellung auch die "Goldenen Sieben" genannt. Die Bundesländerzeitungen spielen hinsichtlich der Identität der Menschen eine große Rolle und stellen im pressemäßig vergleichsweise stark zentral organisierten Österreich einen Ausgleich dar. Sie erwiesen sich ferner lange Zeit als Bollwerk gegen die Bemühungen der Wiener Boulevardpresse ("Neue Kronen-Zeitung", "Kurier" und "täglich Alles"), in die Bundesländer vorzudringen.

Auch die "Vorarlberger Nachrichten" haben in der Vergangenheit verschiedentlich ihr großes politisches Gewicht unter Beweis stellen können und sich als bedeutender Faktor in der politischen Willensbildung erwiesen. "Wir waren nie eine neutrale Zeitung, sondern immer eine engagierte Zeitung", sagte der frühere Chefredakteur Franz Ortner. Die stark föderalistische Orientierung der "Vorarlberger Nachrichten" hat deutlichen Einfluss auf das Bewusstsein der Leser. Als besonderes Beispiel ist hier das so genannte Fußach-Fanal vom 21. November 1964 zu nennen, als sich die "VN" energisch gegen die Taufe eines neuen Schiffs auf den Namen "Karl Renner" zur Wehr setzten und eine aufgebrachte Menschenmenge die Taufe buchstäblich ins Wasser fallen ließ. Als weitere Beispiele der antizentralistischen Kampagnen der VN werden die "Initiative Pro Vorarlberg" aus dem Winter 1979/80 und der Streit um die Zukunft der Vorarlberger Illwerke in den 1990er Jahren gesehen.

Die "Vorarlberger Nachrichten" können auf eine lange und wechselvolle Geschichte zurückblicken. Als Vorläufer des Blattes werden die 1786 von Josef Anton Bonifaz Brentano gegründeten "Bregenzer Wöchentlichen Nachrichten" gesehen. 1919 kam die Zeitung, die zwischenzeitlich mehrfach andere Namen führte, in den Besitz der Familie Ruß, der auch heute noch die "VN" und weitere wichtige Vorarlberger Massenmedien gehören. Während der NS-Herrschaft in Österreich war die Zeitung verboten. Am 1. September 1945 wurde das Blatt unter dem Namen "Vorarlberger Nachrichten" als Lizenzzeitung der französischen Militärregierung wiedergegründet. Kurz darauf übernahm Eugen Ruß sen. die Leitung der "VN".

Die Familie Ruß spielt bis heute eine dominierende Rolle in der Vorarlberger Medienlandschaft. In dem von ihr kontrollierten Verlag "Vorarlberger Medienhaus" erscheint auch die zweite Vorarlberger Zeitung, die "Neue Vorarlberger Tageszeitung", kurz "Neue" genannt. Hinzu kommen zwei an alle Haushalte verteilte Gratis-Zeitungen ("Wann&Wo", "Mein Einkauf"), einer der größten österreichischen Internet-Provider ("Teleport"), Beteiligungen am lokalen Hörfunk "Antenne Vorarlberg", Druckereien sowie ein Buchverlag.

Die "Neue" erreicht etwa 20% der Vorarlberger Bevölkerung und steht damit deutlich im Schatten des Schwesterblattes "VN". Sie nahm 1972 den Betrieb auf und wurde ursprünglich als Gegenkraft und Korrektiv zu den mächtigen "VN" konzipiert. Gleichzeitig wurde das von der ÖVP herausgegebene "Vorarlberger Volksblatt" eingestellt. Ein vorübergehender Aufschwung war 1975 zu beobachten, als die "Neue" in die Trägerschaft der Grazer "Styria" wechselte, die unter anderem die "Kleine Zeitung" (Graz, Klagenfurt) produzierte. 1990 schließlich kam die "Neue" zum "Vorarlberger Medienhaus", das seither für diese Zeitung staatliche Presseförderung in Millionenhöhe erhält. Dieser Schachzug wurde von vielen Beobachtern als nachteilig für die mediale Kultur Vorarlbergs eingeschätzt. Der Chef des Vorarlberger Medienhauses Eugen Ruß vertritt dagegen die Auffassung, dass die enge Kooperation nur den Vertriebs- und Verlagsbereich betreffe, dass redaktionell die beiden Blätter aber eigenständig seien: "Das sind zwei Mannschaften. Wir halten das auch für notwendig, um glaubwürdig die These vertreten zu können, dass wir unabhängig voneinander Standpunkte vertreten. Das ist schon öfter in der Praxis bewiesen worden."

Neben den Tageszeitungen des "Vorarlberger Medienhauses" erscheinen in Vorarlberg eine Reihe von lokalen Wochenzeitungen wie z.B. "Das Kleine Blatt" von Rudolf Ganahl und die von Ing. Alois Kaindl herausgegebenen "Bregenzer Blättle"""", "Feldkircher Anzeiger" und "Walgaublatt". Hinzu kommen weitere kleine Wochenzeitungen, kirchliche Zeitungen und Gemeindeblätter, die meist nur über einen kleinen redaktionellen Teil verfügen. Die Wiener Zeitungen ("Neue Kronen-Zeitung", "Der Standard", "Die Presse", "Kurier" und "täglich Alles") spielen eine nur kleine Rolle. Ein Grund ist in der geografischen Lage Vorarlbergs zu suchen. Für die in Wien erscheinenden Zeitungen war es immer schwierig, den Aktualitätsvorsprung der in Vorarlberg gedruckten Titel wettzumachen.

Vorarlberg kann auf eine lange und interessante Pressegeschichte zurückblicken. Erste Zeitungen sind bis in das frühe 17. Jahrhundert zurückzuführen. Sie erschienen vorwiegend in Hohenems, das in der frühen Neuzeit große Bedeutung als "Zeitungsstadt" besaß. Wichtige Impulse auf die politische und mediale Entwicklung Vorarlbergs gingen vom "Vorarlberger Volksblatt" aus. Dieses wurde 1866 von Geistlichen rund um den Pfarrer Thomas Ammann gegründet und hatte sich zum Ziel gemacht, katholischen Positionen in der Öffentlichkeit zur Geltung zu verhelfen und gegen den Liberalismus anzukämpfen. Vor allem unter der redaktionellen Führung des katholischen Priesters Dr. Bernhard von Florencourt kam es zu einer Reihe von publizistischen Konflikten. Später übernahm der von Geistlichen und Laien gegründete "Vorarlberger Preßverein" die Trägerschaft der Zeitung. Ab 1934 leitete Kaplan Georg Schelling die redaktionelle Arbeit. Er nahm eine kritische Position zum Nationalsozialismus ein, wurde deshalb am 21. März 1938 verhaftet und anschließend sieben Jahre in Konzentrationslagern gefangen gehalten. Nach dem Zweiten Weltkrieg erschien das "Vorarlberger Volksblatt" erstmals wieder am 16. November 1945. Herausgegeben wurde die Zeitung von der Österreichischen Volkspartei (ÖVP). Immer wieder kritisierten die Alliierten die Zeitung wegen einer revanchistischen Ausrichtung; in der Folge kam es auch zu zahlreichen Abbestellungen. 1972, also 106 Jahre nach seiner Gründung, wurde das "Vorarlberger Volksblatt" eingestellt. Das Ende des "Vorarlberger Volksblattes" ist in Zusammenhang mit der Gründung der "Neuen Vorarlberger Tageszeitung" zu sehen.

Der "Vorarlberger Volksbote" erschien als Wochenzeitung erstmals am 29. September 1933 und richtete sich an die ganze Vorarlberger Bevölkerung, inhaltlich unterstützte er die Dollfuß-Regierung. Nach dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland im Jahre 1938 brachten die neuen Machthaber das Blatt unter ihre Kontrolle und ersetzten es bald durch den "Vorarlberger Landboten"; am 30. August 1944 erschien die vorerst letzte Ausgabe. Drei Jahre nach Kriegsende ließ der "Vorarlberger Presseverein" das Blatt unter dem alten Titel "Vorarlberger Volksbote" wieder aufleben. 1995 wurde es endgültig eingestellt.

Das "Vorarlberger Tagblatt" erschien erstmals 1899 und war deutsch-freisinnig ausgerichtet. 1907 wurde die Zeitung zunächst aufgegeben, um 1918 als Parteizeitung der "Großdeutschen Volkspartei" wiedergegründet zu werden. Später unterstützte das "Tagblatt" die nationalsozialistische Bewegung. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich nahmen die Redakteure der Zeitung aber eine zunehmend kritische Position gegenüber den neuen Machthabern ein. Mehrfach drohte das Gaupresseamt mit der Einstellung der Zeitung. Die Geschichte des "Vorarlberger Tagblatts" endet am 27. April 1945.  M.C.H

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Bild: Am Samstag, dem 1. September 1945, erschien die erste Ausgabe der `Vorarlberger Nachrichten´
Am Samstag, dem 1. September 1945, erschien die erste Ausgabe der `Vorarlberger Nachrichten´
Bild: `Neue Vorarlberger Tageszeitung´, die erste Ausgabe ganz im Stil der 1970er Jahre
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Bild: Die Probenummer des konservativen "Vorarlberger Volksblattes", 1866
Die Probenummer des konservativen "Vorarlberger Volksblattes", 1866
Bild: Der `Vorarlberger´, vormals `Vorarlberger Volksbote´
Der `Vorarlberger´, vormals `Vorarlberger Volksbote´