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Die Erschließung des Landes

Die Zerstörung bzw. Überlagerung der spätrömischen Strukturen durch die germanischen Alemannen, die sowohl von Norden wie auch von Westen her ins Land kamen, bedeutete keine grundsätzliche Veränderung der siedlungsgeschichtlichen Gegebenheiten. Weiterhin blieben jene Gebiete Vorarlbergs besiedelt, die die günstigsten Voraussetzungen boten und die teils durch Bodenfunde schon als vorgeschichtliche Siedlungsplätze ausgewiesen sind: der Raum Bregenz, Stützpunkte am östlichen Rheintalrand, dann vor allem der Raum Götzis und das Vorderland mit Rankweil als Mittelpunkt sowie der Walgau bis Bludenz. Auf diese klimatisch und auf Grund der Bodenbeschaffenheit bevorzugten Gegenden konzentrierte sich noch bis zum Ende des frühen Mittelalters (um 1000) die Bevölkerung. Der größere Teil des Landes – vor allem die Gebirgsregionen (Bregenzerwald, Klostertal, Montafon, die Nebentäler des Walgaus, der Tannberg) – war dagegen unbewohnt und überwiegend un-genutzt.
Erst als die alten Siedlungsräume für die anwachsende Bevölkerung zu wenig Platz boten, wurde neues Siedlungsland erschlossen, zuerst in der Talebene entlang des Rheins, wo im Hochmittelalter (11. bis 13. Jahrhundert) Orte wie Meininigen, Koblach, Altach, Mäder, Hohenems und Gaißau entstanden. Etwa zur selben Zeit erfolgte die Besiedlung und Nutzung der Hang- und Berglagen im Umkreis der alten Orte im Rheintal.

Wichtigste Landreserve für eine Ausdehnung des Siedlungsgebietes war der Bregenzerwald, der als Königsgut unter der Verwaltung der umliegenden Grafschaften stand. Somit kam den Grafen von Bregenz und den mit ihnen verwandten Grafen von Pfullendorf eine entscheidende Rolle bei der Erschließung dieses Gebietes zu, die im 11. Jahrhundert einsetzte. Die erste Kolonisationsstufe erfolgte durch die Anlage herrschaftlicher Großhöfe (so in Lingenau, Alberschwende, Andelsbuch, Schwarzenberg, Egg). Der Impuls für diese Erschließungsarbeit ging vielleicht vom Bregenzer Grafenhaus selbst aus, dem vermutlich die Geschwister Merbot, Diedo und Ilga angehörten, die im Zusammenhang mit der Gründungsgeschichte von Alberschwende, Andelsbuch und Schwarzenberg genannt werden. Ein weiterer Kolonisationsschub dürfte dann im 12. Jahrhundert erfolgt sein, während sich Dauersiedlungen im hintersten Teil der Talschaft erst im Spätmittelalter, im 14. und 15. Jahrhundert, etablieren konnten. Ein besonderer Anteil bei der Urbarmachung des Bregenzerwaldes fiel dem von den Grafen von Bregenz zuerst in Andelsbuch gegründeten und nach wenigen Jahren – um 1090/94 – an den Bodensee verlegten Kloster Mehrerau zu, das vor allem in Andelsbuch, Lingenau und Alberschwende reich begütert war.

Entscheidende Impulse gingen des Weiteren von den gräflichen Großhöfen Steig und Rieden, die zum Mittelpunkt der späteren Gerichtssprengel Hofsteig und Hofrieden wurden, sowie vom Hof St. Peter bei Bludenz aus. St. Peter bildete die Basis für die Erschließung des Montafons. Der Hof war später auch die Gerichtsstätte für die Bewohner dieser Talschaft, die auf Grund dieser Zugehörigkeit 'Hofjünger' genannt wurden. Das Montafon besaß als Bergbauregion – nachgewiesen sind in erster Linie Silber-, Kupfer- und Eisenbergwerke – Bedeutung.

Einer geistlichen Institution hingegen verdankt das Klostertal, das einst "Mariental" hieß, seine Erschließung. Im Jahre 1218 stiftete Graf Hugo von Montfort in der Stadt Feldkirch eine Niederlassung des Johanniterordens, eines geistlichen Ritterordens, der im Zusammenhang mit den Kreuzzügen entstanden war und sich vor allem der Betreuung von Pilgern und Kreuzfahrern widmete. Zu diesem Zweck erhielt das Feldkircher Johanniterhaus Teile des Klostertals, wo zur Beherbergung von Reisenden ein Hospiz, ein "Klösterle", errichtet wurde, das schließlich auch dem Ort Klösterle den Namen gab. Diese Gründung förderte den Arlbergverkehr und damit die Erschließung der ganzen Talschaft.

Einen wesentlichen Impuls für die weitere Entwicklung des Landes gab die Gründung der drei alten Städte Bregenz, Feldkirch und Bludenz. Feldkirch, die älteste der drei, wurde um 1200 von Graf Hugo I. von Montfort gegründet. Bald nach der Mitte des 13. Jahrhunderts, unter der Regierung Hugos II. von Montfort, folgte Bregenz im Bereich der heutigen Oberstadt. Bludenz entstand als Stadt zwischen 1264 und 1268. Ihr Stifter war Graf Hugo von Werdenberg, ebenfalls aus dem Geschlecht Montfort-Werdenberg. Die Ortschaft Ems, heute Hohenems, wurde zwar bereits 1333 mit einem Stadtrecht ausgestattet, konnte allerdings keine städtischen Strukturen entwickeln. Die neuerliche Stadterhebung erfolgte 1983. Dornbirn, die heute mit Abstand größte Stadt des Landes, erwuchs aus einer industrialisierten ländlichen Gemeinde und ist seit 1901 Stadt. Wirtschaftlich bedeutsam war im Zusammenhang mit der Gründung der Städte Feldkirch und Bregenz vor allem die Förderung des Weinbaus, der lange Zeit einen großen Ertrag abwarf.

Am Beginn des 14. Jahrhunderts bildete die Ansiedlung der Walser eine letzte, wesentliche Phase des Landesausbaus auf Vorarlberger Boden. Als die Grafen Rudolf und Ulrich von Montfort-Feldkirch einen Krieg gegen den reichsritterlichen Adel führten, benötigten sie zusätzliche Kräfte, die sie in der Umgebung nicht rekrutieren konnten. Sie riefen daher Wehrkolonisten aus dem Wallis, ihrer Herkunft nach "Walser" genannt, ins Land. Bereits im 13. Jahrhundert siedelten mehrere Grundherren des Graubündner Raumes Walser in ihrem Herrschaftsbereich an. Sie wurden primär als Söldner gruppenweise aus einem überbesiedelten Gebiet angeworben und in den nicht dauernd bewohnten Berggegenden angesiedelt, damit sie im Bedarfsfall zur Verfügung standen. 1313 sind die ersten Walser in Damüls und Laterns urkundlich nachweisbar. In weiterer Folge besiedelten sie den Tannberg, das Große Walsertal, das Kleinwalsertal, das Silbertal, das Brandnertal sowie andere Berggebiete. Außerdem finden sich einzelne Walserniederlassungen an den Berghängen der Haupttäler Vorarlbergs. Auf Grund ihres militärischen Sonderstatus wie auch der Exponiertheit ihrer Siedlungen erhielten sie den zugewiesenen Grund als Erblehen gegen bloße Zinsleistung und die Verpflichtung zum Kriegsdienst. Sie waren persönlich frei. Auch ihren Gemeinden wurden weit gehende Selbstverwaltungsrechte zugestanden.

Im 15. Jahrhundert fand die Erschließung des Landes weitgehend ihren Abschluss, die meisten länger bestehenden Dauersiedlungen waren damals bereits, wenn auch in teils sehr bescheidenem Umfang, eingerichtet.
A.N

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Bild: Dieser päpstliche Ablaßbrief für die Kapelle im Silbertal wurde im Jahre 1332 in Avignon ausgestellt.
Dieser päpstliche Ablaßbrief für die Kapelle im Silbertal wurde im Jahre 1332 in Avignon ausgestellt.
Bild: Ansicht der Stadt Bludenz mit intakter Stadtmauer in der frühen Neuzeit
Ansicht der Stadt Bludenz mit intakter Stadtmauer in der frühen Neuzeit
Bild: Alberschwende, eine der ersten Siedlungen im Bregenzerwald. Ansicht aus dem 19. Jahrhundert im Vorarlberger Landesmuseum
Alberschwende, eine der ersten Siedlungen im Bregenzerwald. Ansicht aus dem 19. Jahrhundert im Vorarlberger Landesmuseum
Bild: Wappen des Johanniterhauses Feldkirch
Wappen des Johanniterhauses Feldkirch
Bild: In der Emser Chronik von 1616 findet sich diese Darstellung eines Bergwerkes im Montafon. Damals war der Bergbau im Montafon bereits erloschen.
In der Emser Chronik von 1616 findet sich diese Darstellung eines Bergwerkes im Montafon. Damals war der Bergbau im Montafon bereits erloschen.
Bild: Schröcken, am Fuß des Hochtannbergpasses, wurde im 14. Jahrhundert von den Walsern besiedelt.
Schröcken, am Fuß des Hochtannbergpasses, wurde im 14. Jahrhundert von den Walsern besiedelt.
Bild: Der Liebfrauenberg in Rankweil, dem alten Zentrum des Vorderlandes. Zeichnung von  F. von Lins
Der Liebfrauenberg in Rankweil, dem alten Zentrum des Vorderlandes. Zeichnung von F. von Lins