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Eusebius - der Heilige mit dem Kopf in der Hand

Zu den wunderlichsten und gleichzeitig interessantesten Gestalten Vorarlberger Heiliger zählt zweifellos der irische Einsiedler Eusebius. Dieser Wandermönch hatte um die Mitte des 9. Jahrhunderts – vertrieben durch kriegerische Einfälle der Dänen und Norweger – seine Heimatinsel verlassen und auf dem Viktorsberg nahe dem Dorfe Röthis im Gau Rätien Zuflucht gefunden. Der Name Viktorsberg rührt von einer kostbaren Reliquie her, die wohl schon seit dem 8. Jahrhundert in der dortigen Kirche aufbewahrt wurde: dem Schädel des Heiligen, Papstes und Märtyrers Viktor († ca. 202). In Verbindung zu diesem Heiligtum lebten auf dem Berg eine kleine irische Mönchsgemeinschaft sowie der Einsiedler Eusebius. Dieser stand in Beziehung zum Kloster St. Gallen und soll sogar dem Karolinger-Kaiser Karl III. († 888) prophetischen Rat erteilt haben, obwohl er als Rekluse dreißig Jahre freiwillig in einer kleinen Einsiedlerhütte eingemauert lebte.

Aus Dankbarkeit ermöglichte der Kaiser durch eine Schenkung den Unterhalt des kleinen Konvents und stellte Viktorsberg unter Schutz und Eigentum des Klosters St. Gallen. Ein St. Galler Totenbuch meldet das Ableben des Eusebius unter dem 31. Januar 884.
Die Jahrhunderte nach seinem Tod schienen Eusebius vergessen zu haben. Kein einziger Geschichtsschreiber berichtet über jenen seltsamen irischen Reklusen.

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts erzählte jedoch plötzlich der Überlinger Volks- und Erbauungsschriftsteller Johann Georg Tibianus (ca. 1541– 1611), dass Eusebius auf den Feldern von Brederis bei Rankweil sonntagsschändende Bauern gescholten habe und deshalb von ihnen mit einer Sense enthauptet worden sein soll. Eusebius aber habe gleich nach seiner Ermordung zum Erstaunen seiner Mörder sein abgeschlagenes Haupt aufgenommen und damit den Tatort verlassen. Auf dem Weg zum Viktorsberg habe das blutende Haupt in seinen Händen feiertagsschändende Frauen gerügt; schließlich soll er sein Haupt auf dem Altar der Viktorsberger Kirche zur Ruhe niedergelegt haben.

Erst nach dem Erscheinen dieser neuen Lebensbeschreibung setzte auf dem Viktorsberg ein besonders intensiver Eusebius-Kult ein und zahlreiche Gläubige wallfahrteten zur Heimstätte des beinahe in Vergessenheit geratenen Einsiedlers und nunmehrigen Feiertagsschützers. 1730 wurde Eusebius von der römischen Ritenkongregation sogar selig gesprochen.
Aus den Zeugnissen der ältesten St. Galler Quellen aus dem 9., 10. und 11. Jahrhundert lässt sich ein gewaltsamer Tod des Viktorsberger Einsiedlers Eusebius nicht nachweisen. Es ist anzunehmen, dass die Tibianus-Vita auf Grund einheimischer Kopfträger-Überlieferungen und spätmittelalterlicher Verwechslungen angeregt und von der Gegenreformation gezielt verbreitet wurde. Zahlreiche bildliche Darstellungen haben die Eusebius-Legende zum Gegenstand. So malte zu Beginn des 18. Jahrhunderts Gabriel Thumb das große Deckengemälde der Viktorsberger Kirche; auch die sehenswerte barocke Bildtafel im Kreuzgang der Rankweiler Liebfrauenkirche zeugt von der ehedem intensiven Verehrung dieses Volksheiligen. V.W.

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Bild: Plastik mit der Heiligendarstellung am St.-Anna-Altar in der Pfarrkirche zu Brederis
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Bild: Martertod des hl. Eusebius, dargestellt in der Wallfahrtskirche Rankweil
Martertod des hl. Eusebius, dargestellt in der Wallfahrtskirche Rankweil
Bild: Aus dem Jahre 1598 stammt die älteste bildliche Darstellung der Heiligenlegende.
Aus dem Jahre 1598 stammt die älteste bildliche Darstellung der Heiligenlegende.
Bild: Deckengemälde in Viktorsberg mit der Darstellung des hl. Eusebius in Viktorsberg
Deckengemälde in Viktorsberg mit der Darstellung des hl. Eusebius in Viktorsberg