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Wilhelm Benger und Söhne

Im späten 17. Jahrhundert mussten viele Hugenotten aus religiösen Gründen Frankreich verlassen, unter ihnen eine Reihe qualifizierter Gewerbetreibender. Angehörige der hugenottischen Familie Benger zogen aus dem Elsass nach Württemberg, unter anderem nach Stuttgart und Umgebung sowie nach Tübingen.

Karl Benger (1788–1849) scheint 1837 als Oberzunftmeister der Strumpfwirker in Stuttgart auf. Für die Anschaffung eines verbesserten Webstuhls erhielt er eine Prämie zugesprochen. Auf einer Industrieausstellung in Stuttgart wurde er für seine Produkte mit einer silbernen Ehrenmedaille bedacht, eine weitere Medaille trug er von einer Ausstellung in Mainz nach Hause.

Karls Sohn Wilhelm (1818–1864) erlernte das Gewerbe bei seinem Vater, absolvierte 1844 die Meisterprüfung und heiratete kurz darauf. Er erwarb ein Weberhäuschen in Degerloch bei Stuttgart und errichtete dort seinen eigenen Handwerksbetrieb. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gerieten viele traditionelle Gewerbe durch die Konkurrenz von Maschinen in eine schwere Krise; die Strumpfwirker bekamen diese vor allem durch einen neuartigen Wirkstuhl zu spüren. Die neu errichtete Württembergische Zentralstelle für Gewerbe und Handel ließ 1852 aus dem französischen Troyes einige Stühle dieser Art zum Nachbauen ins Land kommen; mit ihnen übersiedelte einer der Erfinder. Nun wurden engagierte Gewerbetreibende gesucht, die diese Maschinen in Gang setzten; einer der ersten war Wilhelm Benger. Er begann 1852 auf zwei Stühlen Baumwolle zu verarbeiten, erwarb bald weitere für Wolle dazu und beschäftigte nach einer anfänglichen Phase des Experimentierens binnen kurzer Zeit 40 bis 50 Wirker. Die mechanische Trikotweberei nahm in Württemberg bald einen großen Aufschwung, gefördert auch durch den Einsatz der in den USA erfundenen Nähmaschine.

Solcherart vom Handwerker zum Leiter eines mittelgroßen Betriebs aufgestiegen, begann Wilhelm Benger nun regelmäßig Messen in Frankfurt am Main, Leipzig, München, Augsburg und Ulm zu besuchen, um Kunden zu werben. 1855 beteiligte er sich an einer großen Weltausstellung in Paris, wo seinen Erzeugnissen eine ehrenhafte Erwähnung zuteil wurde. Im selben Jahr starb Bengers Frau; er vermählte sich erneut und begann seinen Betrieb direkt nach Stuttgart zu verlagern. Während der Vorbereitungen dazu starb er mit erst 46 Jahren. Seine Witwe führte mit dem 19-jährigen Sohn Wilhelm das Geschäft weiter. Die Trikotweberei entwickelte sich günstig und erlebte einen weiteren Aufschwung durch die Entstehung eines deutschen Nationalstaates 1870/71. Das Geschäft konnte daher erneut verlagert und vergrößert werden. 1872 übernahm der zweite Sohn Gottlieb Benger die kaufmännische Leitung des Unternehmens, das nun über 14 Rundstühle verfügte und rund 60 Arbeiter beschäftigte.

Nach dem Tod ihrer Mutter übernahmen die beiden Söhne die Firma. Wilhelm und Gottlieb Benger eigneten sich in den folgenden Jahren die Theorien des Wissenschaftlers Dr. Gustav Jäger über den hohen gesundheitlichen Wert wollener Unterwäsche an; sie boten unter anderem ungefärbte Kleidungsstücke an und versahen ihre Erzeugnisse mit einer Schutzmarke (die übrigens viele unbefugte Nachahmer fand). Mit diesem geschickten Marketingmittel gelang ihnen die Eroberung neuer Märkte. Der wachsende Betrieb übersiedelte 1882 erneut, diesmal in den Stuttgarter Vorort Heslach.

1885 schottete sich Österreich-Ungarn mit einer Zollerhöhung vom Ausland ab; um diesen Markt nicht zu verlieren, sahen sich die Benger daraufhin genötigt, eine Filiale in Österreich zu errichten. Sie wählten dafür die am nächsten liegende Region und ließen bei Bregenz ein Fabrikgebäude errichten, dessen Leitung noch im selben Jahr der dritte Bruder, Karl, übernahm. Auch andere Firmeninhaber taten diesen Schritt und richteten in Rieden-Vorkloster Zweigstellen ein, so zum Beispiel die Nahrungsmittelhersteller Julius Maggi und Karl Heinrich Knorr. Bereits wenige Jahre nach der Übersiedlung der Firma Benger folgten ein Lager und eine Geschäftsstelle in Wien sowie Filialen in Berlin und New York. Im Jahre 1894 verfügten die Benger-Betriebe über 700 Webstühle mit rund 1.000 Beschäftigten. Im großen Wirtschaftsraum der Habsburgermonarchie machten sie offenbar gute Geschäfte, denn nach dem Zerfall der Monarchie errichteten sie wiederum Zweigbetriebe in Slowenien, in Ungarn und in der Tschechoslowakei.   H.W.

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Bild: Websaal der Firma Benger um 1900
Websaal der Firma Benger um 1900
Bild: Briefkopf mit Firmenansicht und Auszeichnungen um 1900
Briefkopf mit Firmenansicht und Auszeichnungen um 1900
Bild: Unter dem Markennamen `Ribana´ erzeugte Benger ab 1925 Badeanzüge.
Unter dem Markennamen `Ribana´ erzeugte Benger ab 1925 Badeanzüge.