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Die Gebrüder Rosenthal

Die Familie der Rosenthal geht unter dem Namen Levi auf eine der ältesten Judenfamilien in Vorarlberg zurück. Ende des 17. Jahrhunderts wird ein Abraham Veit Levi in Sulz erwähnt; sein Sohn übersiedelte in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts nach Hohenems. Dessen Sohn wiederum, Urban Veit Levi (1765–1826), nannte sich ab 1813 Rosenthal; er handelte mit Leinwand, Leinwandmischgeweben und Leder, später mit Baumwollstoffen. Er führte ein Warenlager in Bozen und setzte Waren in Südtirol und Italien ab. Seine Frau Sophie brachte eine Tochter und zwei Söhne zur Welt. Die Letzteren, nämlich Philipp (1801–1859) und Josef Rosenthal (1805–1862), begründeten die Firma 'Gebrüder Rosenthal'.

Philipp und Josef wurden zunächst als Kaufleute ausgebildet; nebenher waren sie als Verleger tätig und ließen Tücher färben. 1833 beteiligten sie sich zusammen mit ihrem Schwager Simon Brettauer mit je einem Viertel an der Baumwollspinnerei Johann Kaspar Kopfs in Götzis; diese Teilhaberschaft dürfte rund fünf Jahre lang gedauert haben. Ihre gewonnenen Erfahrungen verwerteten die Brüder 1838: Sie richteten auf dem Betriebsgelände Johann Georg Ulmers in Dornbirn eine Spinnerei ein und führten diese zeitweise selbst. 1841 gründeten sie ihre eigene Firma, indem sie von der Witwe des Isaak Lowengard in Hohenems eine um 1825 gegründete kleine Spinnerei mit Einrichtung und Wasserleitungen sowie ein Schwefelbad erwarben. Die Brüder betrieben das Heilbad weiter und ergänzten die Produktionspalette durch eine Druckerei, eine Türkischrotfärberei und eine Bleiche.

1852 schlossen Philipp und Josef einen formellen Gesellschaftsvertrag miteinander. Nach ihrem Tod stiegen ihre Witwen und Söhne als Gesellschafter ein. Beide hinterließen eine reiche Nachkommenschaft: Philipp hatte mit Regina Bernheimer 14 Kinder, von denen die Söhne Ludwig, Anton und Julius in der Firma tätig blieben. Die Ehen der Töchter spiegeln auch die Geschäftsinteressen wider: Sie heirateten unter anderem Männer aus Triest, Wien, Manchester und Rotterdam. Der Ehe Josef Rosenthals mit Klara Lowenberg entstammten elf Kinder; von diesen stiegen später Robert und Arnold als Gesellschafter ein.

Die Firma expandierte kräftig: 1865 erwarben die Rosenthal von Johann Michael Ohmayers Erben eine Spinnerei in Rankweil. Ab 1856 wurden weiters mehrere mechanische Webereien gekauft bzw. errichtet, darunter zwei Betriebe bei Schaan in Liechtenstein. Kurz vor 1900 dürfte der Betrieb seine größte Ausdehnung erreicht haben: Drei Webereien, eine Spinnerei, je eine Rouleaux- und eine Handdruckerei, eine Türkischrotfärberei sowie eine Bleiche und Appretur bildeten ein ansehnliches Ensemble. Kurze Zeit später begann allerdings der Niedergang. Die Ursachen lagen unter anderem darin, dass türkischrot gefärbte Kopftücher gegenüber Hüten zusehends an Bedeutung verloren, während buntgewebte Waren die gedruckten zu ersetzen begannen. Im Laufe einer Wirtschaftskrise 1904/05 sahen sich die Gesellschafter daher gezwungen, unter Mithilfe ihrer Hausbank, der Credit-Anstalt, eine Aktiengesellschaft zu gründen. Die Firma erholte sich aber nicht mehr und 1916 endete die Ära Rosenthal in der Hohenemser Industriegeschichte.

Was die Größe ihrer Betriebe betraf, konnten die Rosenthal durchaus mit den katholischen und protestantischen Unternehmern Vorarlbergs mithalten. Sie galten als humane Fabrikherren; bemerkenswert ist, dass sie praktisch nur nichtjüdische Fabrikarbeiterinnen und Fabrikarbeiter beschäftigten. Die kleine israelitische Gemeinde mit ihren wenigen Hundert Bewohnern hätte dafür allerdings ohnehin nicht genügend Potenzial geliefert. Im 19. Jahrhundert stellten Angehörige der Sippe rund 35 Jahre lang den Ortsvorsteher, andere fungierten in Ausschüssen und betätigten sich im Schul- und Armenwesen. So legten Josef und Klara Rosenthal in ihren Testamenten die Grundlage für ein jüdisches Armenhaus; dieses konnte 1872 eröffnet werden. Auch im sozialen und politischen Engagement der Rosenthal finden sich also ähnliche Muster wie bei manchen christlichen Fabrikbesitzern. H.W.

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Bild: Ansichtskarte aus Hohenems mit der Fabrik Gebrüder Rosenthal im Schwefel
Ansichtskarte aus Hohenems mit der Fabrik Gebrüder Rosenthal im Schwefel
Bild: Die Villa von Ivan und Franziska Rosenthal in Hohenems
Die Villa von Ivan und Franziska Rosenthal in Hohenems
Bild: Die Gebrüder Rosenthal – ihr Firmenzeichen bestand aus den Anfangsbuchstaben `GR´ und dem Emser Steinbock – warben mit ihrem Plakat für ihre hochwertigen Decken, die von bekannten Künstlern entworfen wurden.
Die Gebrüder Rosenthal – ihr Firmenzeichen bestand aus den Anfangsbuchstaben `GR´ und dem Emser Steinbock – warben mit ihrem Plakat für ihre hochwertigen Decken, die von bekannten Künstlern entworfen wurden.