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Aufklärung und Gegenaufklärung - ein Grundkonflikt der letzten 200 Jahre

Ein Grundelement der Geschichte Vorarlbergs seit der Zeit Maria Theresias ist das Trauma der Fremdbestimmung. Der Wunsch nach Eigenständigkeit zieht sich vom 18. Jahrhundert bis zur Pro-Vorarlberg-Bewegung (1979/80) wie ein roter Faden durch die Landesgeschichte. Der Widerstand gegen die 'zentralistische' Staatsmacht zeugt streckenweise von ausgeprägtem Selbstbewusstsein der Landesbewohner. Er richtete sich zum Teil aber auch gegen positive Neuerungen der Regierung, im 18. Jahrhundert zum Beispiel gegen die Gründung von Volksschulen und Maßnahmen zur Hebung der Wirtschaftskraft. Die autoritär verfügten aufklärerischen Reformen Maria Theresias und Josephs II. wurden von einem Großteil der Bevölkerung als Angriff auf überlieferte Bräuche und Traditionen angesehen.

Die Kirche hatte rund tausend Jahre lang die Handlungsnormen der Menschen bestimmt. Sie war bestrebt gewesen, das Leben der Menschen nach Glaubens- und Jenseitsvorstellungen auszurichten Sie hatte den Lebensrhythmus, die Traditionen und Bräuche sowie das Denken der Gläubigen geprägt. Die Kirche hatte gesagt, was Sünde sei und was nicht. Mönche und Weltpriester, dem Ideal der Askese verpflichtet, hatten die Einstellung der Gläubigen zu ihrem eigenen Körper beeinflusst, aber auch die psychische Bereitschaft der Menschen, bestehende Autoritäten anzuerkennen. Die Kirche erwartete von den Gläubigen die Unterordnung unter eine Hierarchie und vertrat eine eher statische Herrschaftsform.

Die Philosophie der Aufklärung verfolgte ein gegensätzliches Konzept. Der Philosoph Immanuel Kant (1724– 1804) forderte die Menschen auf, nicht das nachzubeten, was bestimmte Autoritäten vorgegeben hatten, sondern selbst zu denken. "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen." Die Mündigkeit und Vernunftfähigkeit der Bürger sowie Toleranz, Humanität und Menschenrechte sollten die Leitbilder für politisches Handeln sein. Doch die Mündigkeit konnte nur dann annähernd erreicht werden, wenn die Menschen nicht nur des Lesens mächtig waren, sondern sich auch ein Buch oder eine Zeitung leisten konnten. Im Bildungsunterschied liegt somit eine der Hauptursachen für die Spaltung der Gesellschaft und für das unterschiedliche Wählerverhalten nach Einführung der modernen Demokratie im 19. Jahrhundert. Die Reformen in Österreich kamen in der Regel nicht "von unten", vom Volk, sondern "von oben", von der Staatsspitze. Kaiser Joseph II. (1780– 1790), der auf die Empfindungen des Volkes wenig Rücksicht nahm, veranlasste die Abschaffung von Wallfahrten und Bittprozessionen, mit deren Hilfe schlechtes Wetter und anderes Unheil abgewendet werden sollten. Die Menschen sollten nach Meinung des Kaisers nützliche Arbeit zur Hebung des Wohlstandes leisten. Diese Anordnung sowie die Errichtung von Dorfschulen lösten in Vorarlberg heftige Proteste aus. 1774 zerstörten empörte Bauern in Sulzberg die Einrichtung der neuen Schule. 1789 gingen in Batschuns Schulbücher und Schulgerät in Flammen auf, auch in Schruns gab es Exzesse. Ein Amtsbote, der in Feldkirch ein Prozessionsverbot verkündete, wurde verprügelt. Auch die Folterung und Ermordung von Kreishauptmann Indermauer und zwei weiterer Beamter im Jahre 1796 in Bludenz durch Montafoner Bauern war zum Teil eine indirekte Folge der verhassten josephinischen Reformen.

Nach dem Sieg über Napoleon hielt Staatskanzler Metternich das Staatsruder fest in der Hand, es gab Zensur und Spitzelwesen. Die Bürgerrevolution von 1848 wurde blutig niedergeschlagen. Kaiser Franz Joseph I. (1848– 1916) ging 1855 auf der Grundlage eines Konkordats ein Bündnis mit der Kirche ein, um eine Wiederholung der Revolution von 1848 zu verhindern. Der Bürger wandelte sich wieder zum Untertan. Das Schulwesen lag erneut darnieder. Der Katechismus wurde wichtiger als alle übrigen Fächer. Die Volksschüler lernten hauptsächlich Frömmigkeit. Die Oberaufsicht über das Schulwesen wurde der Geistlichkeit übertragen. Das Schulniveau sank rapide. Die Aufklärung schien verloren zu haben. Doch es gab auch Gegenströmungen. So erkannten z.B. Lustenauer Familien aus liberalem Milieu die Problematik der Entwicklung  und schickten deshalb ihre Kinder zur schulischen Ausbildung in die Schweiz. Auch der Bregenzerwälder Dichter Franz Michael Felder erkannte gemeinsam mit seinem Schwager Kaspar Moosbrugger, dass eine Reform der Gesellschaft bei der Bildung beginnen müsse. Das politische Vorbild der beiden Bregenzerwälder war der deutsche Reformer Lassalle, der Begründer der Sozialdemokratie in Deutschland.

Die Entwicklung des liberalen Lagers in Vorarlberg: die Verkümmerung der Toleranzidee

Im Konflikt zwischen Aufklärung und Tradition spielte der Gegensatz zwischen Besitzbürgertum und Landbevölkerung, zwischen Gebildeten und "einfachem" Volk eine wichtige Rolle. Die Fabrikanten wählten mit ganz wenigen Ausnahmen liberal. Der Aufschwung der Textilindustrie trug wesentlich zur Stärkung der politischen Position des Besitzbürgertums bei. Den Liberalen gehörten weiters an: die besser Gebildeten, viele Gastwirte, die Anhänger der Aufklärung und schließlich jene, die für ein Zusammengehen Österreichs mit Deutschland eintraten. Der Feldkircher Fabrikant Carl Ganahl war der unumstrittene Führer der Liberalen. Ihr Parteiprogramm orientierte sich um 1870 noch stark am Geist der Humanität und an der Aufklärung. Sie traten für Fortschritt in Wissenschaft und Wirtschaft ein, forderten – ganz in der Tradition Josephs II. – eine Verbesserung des Schulniveaus und propagierten Toleranz gegenüber Juden und Protestanten. Der liberale "Verein der Verfassungsfreunde" wählte demonstrativ einen jüdischen Arzt aus Hohenems und einen Protestanten in den Vereinsvorstand.

Doch schon früh trug die liberale Partei den Keim der Spaltung in sich. Ihr Verhängnis war der Nationalismus. Der Geist der Toleranz wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts durch deutschnationale Parolen zunehmend verdrängt, die sich bis zur Hysterie steigerten. Nationalismus, völkische Wahnideen und Rassenhass, als Vorspiel zu den beiden Weltkriegen, erlebten – zum Teil unter dem Einfluss von Georg Ritter von Schönerer – auch in Vorarlberg eine Blütezeit. Der Wandel von liberal zu national und von national zu nationalistisch vollzog sich innerhalb weniger Generationen. Wer z.B. in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts in Innsbruck studierte, war dort einem Klima des extremen Antisemitismus ausgesetzt. Auch im Schrifttum Vorarlbergs spielte die völkische Idee eine wesentliche Rolle. Damit wurde bei einem großen Teil des Bildungs- und Besitzbürgertums der Boden für den Nationalsozialismus und den Siegeszug Adolf Hitlers bereitet.

Die ungefestigte Demokratie: die Nachzüglerrolle Österreichs und Deutschlands und die Entwicklung zum "Kirchenstaat Vorarlberg"

In westlichen Ländern mit aufklärerischer Tradition war es schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts üblich, dass eine Regierung auch einmal abgewählt und durch Männer der Opposition ersetzt werden konnte, wenn das Volk mit der alten Regierung nicht zufrieden war. In Österreich und Deutschland hingegen setzte die moderne Mehrparteiendemokratie mit erheblicher Verspätung ein. Erst 1861 erlaubte der Kaiser in Österreich die Einberufung von Landtagen, aber mit sehr beschränktem Wahlrecht. 1867 wurden politische Parteien in Form von  Vereinen zugelassen. Diese verspätete Entwicklung und die mangelnde Verwurzelung des Demokratiegedankens im Volk hatte auch im 20. Jahrhundert nachhaltige Auswirkungen. Sie bildete eine der wesentlichsten Voraussetzungen für die Entstehung diktatorischer Regimes: für den autoritären Ständestaat 1934–1938 in Österreich und die nationalsozialistische Herrschaft 1938–1945 unter Hitler.

Eine Hauptkrankheit der noch ungefestigten Demokratie im 19. Jahrhundert war das politische Eiferertum und der absolute Wahrheitsanspruch der Parteien. Man hatte noch keinerlei Übung darin, gegnerische Standpunkte zu akzeptieren und Kompromisse zu schließen. Die konservative Partei war nicht nur jung und mit allen Fehlern behaftet, die junge Parteien haben können, vor allem Unerfahrenheit und Unduldsamkeit. Die Partei, in der der Klerus eine Hauptrolle spielte, hatte auch eine andere Besonderheit. Sie ging davon aus, in höherem Auftrag zu handeln, nämlich im Auftrag der katholischen Kirche und des Papstes. Für die Konservativen war Politik eine Weiterführung einer religiösen Mission, also eine Glaubensfrage. Und in Glaubensfragen konnte es keine Kompromisse geben. Dabei spielte es keine Rolle, dass die Gegner der Partei, die Liberalen, nicht die Religion abschaffen, sondern die politische Macht der Kirche begrenzen wollten. Für die Konservativen hingegen war Religion keine Privatsache. Die Trennung von Staat und Religion kam nicht in Frage. Was sie anstrebten, war eine Art Kirchenstaat Vorarlberg. Die Vorrangstellung der Kirche wurde auch dadurch weiter gefestigt, dass es noch keine geheimen Wahlen gab und jeder Wahlvorgang von den Geistlichen kontrolliert werden konnte. Durch das Übergewicht der Konservativen in Vorarlberg ab 1870 entstand zwangsläufig auch ein innerer, nämlich ideologischer Gegensatz zur Regierung in Wien und zum österreichischen Gesamtstaat. Und zwar – mit Ausnahme der NS-Zeit – auf 100 Jahre hinaus. Vor allem in den Bereichen Kirche und Gesellschaft, Kultur und Schule, Sittlichkeit und Moral.

Die Machtverschiebung in der Parteienlandschaft

Von 1861 bis 1870 waren in Vorarlberg die Liberalen die politisch tonangebende Kraft. Die Landtagswahl von 1870 brachte die große Wende. Die katholisch-konservative Partei errang drei Viertel aller Landtagsmandate. Von nun an wurde Vorarlberg auf Landesebene klerikal regiert. Die Städte blieben liberal. Auch in Lustenau gab es ein liberales Milieu. Im Markt Dornbirn waren die Gegensätze besonders scharf. Die Liberalen, vom Wahlrecht bevorzugt, stellten jahrzehntelang den Bürgermeister, nämlich Dr. Johann Georg Waibel. Die Mehrheit der Bürger wählte katholisch-konservativ. Zum konservativen Lager zählte – als große Ausnahme unter den Fabrikanten – auch die Familie des späteren Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Rhomberg machte als Aktionär der Firma "Herrburger und Rhomberg" allerdings die strikt antikapitalistische Linie der konservativen Partei nicht mit. Auch die Radikal-Opposition des "fundamentalistischen" Parteiführers Johannes Thurnher aus Dornbirn gegenüber der Wiener Regierung lehnte Rhomberg ab, weil dadurch Subventionen ausblieben und dem Land Vorarlberg großer Schaden entstand.

Die Krise der Partei begann schon 1870, als Johannes Thurnher & Co. sich anschickten, alles rückgängig zu machen, was die Liberalen erreicht hatten. Vorarlberg sollte einen anderen Weg gehen als das übrige Österreich. Die Kirche sollte, wie zur Zeit des Absolutismus, die volle Kontrolle über alle Volksschullehrer des Landes ausüben, den Lehrplan bestimmen, über die Sittlichkeit wachen, die Ehescheidung sollte verboten sein und die Gleichberechtigung anderer Religionsgemeinschaften sollte abgeschafft werden. Besonders schlecht erging es den Lehrern. Die konservative Landtagsmehrheit unter dem diktatorischen Regiment Johannes Thurnhers lehnte es über mehr als zwei Jahrzehnte ab, den Lehrern eine Gehaltserhöhung zu gewähren, und zwar mit der Begründung, dass die meisten Lehrer dem liberalen Lehrerverein angehörten. Vorarlberg bezahlte seine Pflichtschullehrer am schlechtesten von allen Kronländern der Monarchie. Die Folge war ein weiteres Absinken des Schulniveaus.

Dr. Bernhard von Florencourt brachte als Redakteur oder Herausgeber des konservativen "Vorarlberger Volksblattes" ab 1871 einen scharfen, polemischen Ton in die Zeitungslandschaft. Der Fundamentalismus der Parteispitze war nicht zuletzt sein Werk. Mit aller Macht versuchte er zu verhindern, dass der Fabrikant Adolf Rhomberg in der katholisch-konservativen Partei Einfluss gewann. Auch die Macht des Klerus versuchte Florencourt – obwohl selbst Priester – einzudämmen. Florencourt war ohne Zweifel ein Revolutionär. Er appellierte an die katholischen Laien, sie sollten ihre Ehrfurcht vor den Priestern ablegen und ihr politisches Geschick selbst in die Hand nehmen. Auch in Kirchenfragen. Solche Töne hatte man nie zuvor gehört! Nach Meinung der Bischöfe von Feldkirch und Brixen wäre dies die Demokratisierung der Kirche und somit völlig undenkbar gewesen. Die Forderung der konservativen Parteiführung nach einer eigenen Vorarlberger Diözese führte deshalb ab 1887 zur schwersten Krise der Partei seit ihrem Bestehen. Schließlich siegte die Autorität des Bischofs. Gegen den Bischof könne man unmöglich regieren, war die Lehre, welche die Konservativen aus diesem Konflikt zogen. Der eigentliche Gewinner war Adolf Rhomberg, der auf der Seite des Bischofs gestanden war. Er wurde 1890 vom Kaiser zum Landeshauptmann ernannt. Mit Unterstützung des Bischofs.

Demokratie-Barrieren

Das westliche Mehrparteiensystem setzte in Vorarlberg mit erheblicher Verspätung ein. Der absolute Wahrheitsanspruch der Parteien führte zu einer extremen Ideologisierung der Politik und zu einer Verschärfung des politischen Feindbilddenkens. Damit fehlte eine Grundvoraussetzung der Demokratie: die Bereitschaft zum Kompromiss. Die Aufklärung als eine Philosophie zur Zähmung des Menschen erreichte im 19. Jahrhundert im Grunde nur die Mittel- und Oberschicht. Doch auch in dieser Schicht wurde der Toleranzgedanke gegen Ende des Jahrhunderts mehr und mehr durch Rassismus und Nationalismus verdrängt. Die Aussichten für eine Weiterentwicklung der Demokratie im 20. Jahrhundert waren somit düster.

Antisemitismus

In den christlichen Katechismen stand jahrhundertelang zu lesen, dass die Juden es waren, die Jesus Christus kreuzigten. Und dafür habe sie die gerechte, historische, für alle ewigen Zeiten unabänderliche Strafe ereilt. Dieses grausame Missverständnis der Geschichte war jahrhundertelang die Hauptursache für den Antisemitismus. Es stellte die Juden für alle Zeiten außerhalb des Gesetzes. Es stigmatisierte sie als minderwertige, von Gott zum Verderben auserwählte Menschen, die kein Recht hatten, an Mitleid und Recht und Verständnis zu appellieren. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erhielt der christliche Antisemitismus auch eine betont politische Dimension. 1897 besuchte der Wiener christlich-soziale Politiker Dr. Karl Lueger Vorarlberg. Ab diesem Zeitpunkt ist eine Verschärfung des antisemitischen Tonfalls im "Volksblatt" erkennbar.

Die obskure Rassen-Ideologie des großdeutschen Lagers färbte auch auf die Christlichsozialen ab. Dr. Otto Ender, in der ersten Republik Landeshauptmann und Bundeskanzler, sagte 1913 auf einer Parteiversammlung, dass die italienischsprachigen Zuwanderer aus dem österreichischen Trentino eine Bedrohung des Volkstums und völkischer Eigenart in Vorarlberg seien. Es gehört zur Tragik der Entwicklung in Vorarlberg und Österreich in der Zwischenkriegszeit, dass der große Vermittler zwischen den Fronten, der Christlichsoziale Jodok Fink, schon 1929 starb. Verhängnisvoll war weiters, dass der Demokrat und Priester Dr. Karl Drexel in seiner eigenen Partei ins Abseits gedrängt wurde. Vermittler waren nicht mehr gefragt. Die Kinderkrankheiten der frühen Demokratie des 19. Jahrhunderts, die nie auskuriert worden waren, hatten sich im 20. Jahrhundert zu chronischen, tödlichen Krankheiten entwickelt: Intoleranz, völkische Wahnideen, Kriegsbereitschaft. Der eigentliche Weg in die Katastrophe war dann der Nationalsozialismus.

Das Jahr 1945 war nicht die Stunde null der Vorarlberger Demokratie. Man begann dort, wo man 1938 – vor dem Einmarsch der Hitler-Truppen in Österreich – aufgehört hatte. Das Ideengut des autoritären Systems war zum Teil noch immer lebendig. Vor allem an Landesamtsdirektor Elmar Grabher war die ideologische Prägung seiner Studentenjahre in Innsbruck und Berlin in der autoritären ra nicht spurlos vorübergegangen, ebenso wenig seine Beamtenjahre in der NS-Zeit als enger Mitarbeiter von Gauleiter Hofer und als Mitglied der NSDAP. Elmar Grabher, der bis 1976 oberster Chef der Landesverwaltung war, wurde als hervorragender Jurist hoch geschätzt. Doch in den Augen des Bregenzer Bürgermeisters Karl Tizian war Grabher ein Haupthindernis für eine gedeihliche Entwicklung der Vorarlberger Demokratie.

Landeshauptmann Ulrich Ilg stand im Ruf eines aufrechten, integren Mannes, der auch bei der französischen Besatzung hohes Ansehen genoss. Elmar Grabher wurde für ihn auf Grund seiner juristischen Kenntnisse unentbehrlich beim Wiederaufbau der Landesverwaltung. In den Augen mancher gewährte er, wie Karl Tizian in seinen Tagebuchnotizen beklagte, seinem Spitzenbeamten zu viel Einfluss auf die Politik. Als Ulrich Ilg Ende 1969 abtrat, war bald auch die große Zeit Grabhers zu Ende. 1976 ging er in Pension. Für eine Stärkung des Föderalismus hatte er viel geleistet, ebenso viel für eine straffe Verwaltung. Einen letzten Höhepunkt seiner Karriere erlebte Dr. Elmar Grabherr 1979 in der „Pro-Vorarlberg-Bewegung“. Im Bündnis mit VN-Chefredakteur Dr. Franz Ortner, der seine ideologische Prägung in der NS-Zeit erfahren und sich noch 1944 in der nationalsozialistischen Presse in Form von  Durchhalteappellen für das Hitler-Regime eingesetzt hatte, durchtränkte Grabherr die „Pro-Vorarlberg-Bewegung“, die sich gegen Zentralismus und Misswirtschaft richtete, mit einem stark ideologischen Element. Grabherrs und Ortners Absicht war es unter anderem, die von Kulturschaffenden betriebene Liberalisierung Vorarlbergs seit Anfang der 1970er Jahre wieder rückgängig zu machen. Die „Pro-Vorarlberg-Bewegung“ hatte jedoch nur vorübergehenden Erfolg. Landeshauptmann Purtscher und Kultur-Landesrat Lins (beide ÖVP) wollten in den 1980er Jahren von der Alemannen-Ideologie nichts mehr wissen und lenkten ihre Energien in Richtung kulturelle Erneuerung und europäische Öffnung des Landes.  L.H.

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Bild: In der Mitte erkennt man Nathan den Weisen aus dem gleichnamigen Theaterstück von Gotthold Ephraim Lessing, dem berühmtesten Bühnenwerk der Aufklärung. Das 1779 verfasste Stück ist ein Plädoyer für Humanität, für religiöse und politische Toleranz. Doch der Karikaturist Dieter Zehentmayer zeigt einen ratlosen Nathan, denn die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts ist eine Geschichte von Kriegen, Rassenhass und ideologischen Feindseligkeiten
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Bild: Der Dornbirner Kasiner und Fabrikantensohn Adolf Rhomberg und seine Frau Anna. 1890 wurde Adolf Rhomberg vom Kaiser zum Landeshauptmann ernannt. Er war zwar tief religiös, politisch aber viel gemäßigter als die Parteispitze.
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Bild: Landtags- und Reichsratsabgeordneter Johannes Thurnher
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Bild: Diese Karikatur aus dem "Neuen Postillon" zeigt Verhältnisse, wie sie auch in Vorarlberg gegeben waren. In den Fabriken mussten die Arbeiter zur Zeit der Frühkasiner täglich 14 Stunden arbeiten, später 12 Stunden, für einen sehr mageren Lohn. Kinderarbeit war die Regel
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Bild: Bernhard von Florencourt bekämpfte in Vorarlberg die Auswüchse des Kapitalismus am schärfsten
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Bild: Dr. Karl Drexel, Demokrat und Priester
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Bild: Der Renaissancekünstler Leonardo da Vinci hat mit dieser Zeichnung den Typus des schöpferischen Menschen zu Papier gebracht. Nicht irgendeine Macht, Hierarchie oder Ideologie schränkt ihn ein, das Menschliche, das Humane ist für ihn der Maßstab. Ein künstlerisches Symbol für den Humanismus
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Bild: Der langjährige Bregenzer Bürgermeister ud Landtagspräsident Dr. Karl Tizian
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Bild: In den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts hat der Vorarlberger Künstler Reinhold Luger nach der Vorlage Leonardos den Typus des idealen Vorarlbergers gezeichnet. Er ist ein Vorarlberger Patriot, baut gerade ein Eigenheim, hat eine ganz spezielle Beziehung zum Geld, weiß mit der Mistgabel umzugehen, geht regelmäßig zur Kirche und der Klebstreifen in der Mitte bedeutet, dass er in diesen Dingen keinen Spaß versteht
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