BILD: Logo Vorarlberg Chronik
Zur Trefferliste

|Artikel|

Frühe Pockenschutzimpfung in Lustenau

Am 19. August 1802 führte Dr. Johannes Karl Hollenstein die erste Pockenschutzimpfung in Lustenau durch. Maria Franziska, die Tochter des Adlerwirts Joseph Jussel, war das erste Kind, das er behandelte; in den folgenden zwei Jahren impfte Hollenstein nach seinen eigenen Angaben noch etwa 125 weitere Kinder, wobei er die Methode der so genannten 'Vaccination' verwendete, die von dem schottischen Arzt Edward Jenner (1749– 1823) entwickelt und seit 1798 durch eine Reihe von Druckschriften in weiten Teilen Europas bekannt gemacht worden war. Dabei erreichte man eine Immunisierung, indem eine künstliche Infektion mit den harmlosen Kuhpocken herbeigeführt wurde.

Die Pocken oder Blattern forderten im 18. und frühen 19. Jahrhundert in Vorarlberg vor allem unter den Kleinkindern zahlreiche Todesopfer; allein in Bludenz und Umgebung starben zwischen 1796 und 1806 83 Personen an dieser Krankheit, davon zwei Säuglinge, 45 Ein- bis Vierjährige und 24 Fünf- bis Vierzehnjährige. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es keine wirksame Therapie gegen diese Krankheit; die Infizierten wurden isoliert, ihnen wurde leichte Kost und frische Luft verordnet; ansonsten musste man auf die Selbstheilkräfte des Körpers hoffen. Die Blattern waren auch deshalb sehr gefürchtet, weil jene, die diese Krankheit überlebten – um 1800 starben in der Regel etwa zehn Prozent der Erkrankten –, meist durch tiefe, kraterförmige Narben, im Extremfall sogar durch Erblindung, ihr Leben lang gezeichnet blieben.

Obwohl sich die Impfaktion in Lustenau bewährte – bei der Blatternepidemie des Jahres 1806 erkrankten lediglich drei der geimpften Kinder –, stand die Mehrheit der Bevölkerung dieser medizinischen Neuerung mit Skepsis gegenüber. Hollenstein selbst berichtete, dass er lange gegen heftiges Misstrauen ankämpfen musste und dass ihn der aufgeklärte Lustenauer Pfarrer Franz Joseph Rosenlächer dabei tatkräftig unterstützte. Nach dem Übergang Lustenaus an Bayern förderte die neue Regierung Dr. Hollenstein, der zuvor – wie er ausdrücklich betonte – "aus Vaterlandsliebe" etwa die Hälfte der Kinder unentgeltlich geimpft hatte, entscheidend in seinen Bemühungen und würdigte ausdrücklich seine Verdienste um die Pockenschutzimpfung. W.Sch.

ARTIKEL
Bild: Johannes Karl Hollenstein
Johannes Karl Hollenstein
Bild: Kuhpockenimpfung um 1800
Kuhpockenimpfung um 1800