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Vorarlberg unter Bayern 1806-1814

Die bayerische Herrschaft über Vorarlberg in den Jahren 1806 bis 1814 gehört zu den besonders markanten Episoden der Landesgeschichte: eine Zeit stürmischer Reformen mit dem Ziel einer Modernisierung des Landes, zugleich aber auch eine Zeit heftigsten Widerstandes gegen die – vielfach so empfundene – 'Gewalt'- oder "Fremdherrschaft". Nach der verlorenen Schlacht von Austerlitz musste Österreich im Frieden von Preßburg vom 25./26. Dezember 1805 u.a. Vorarlberg (und Tirol) an Bayern abtreten, das am 13. März 1806 das Land in Besitz nahm. Nachdem der Kaiser selbst seine alten Untertanen aufgefordert hatte, dem neuen König treu zu dienen, hatte man in Vorarlberg die neue Herrschaft zunächst positiv gesehen, zumal der König von Bayern einer Vorarlberger Delegation nicht nur zugesichert hatte, kein Jota an der bisherigen "wohl hergebrachten" Landesverfassung ändern zu wollen, sondern auch versprochen hatte, "die möglichste Beförderung eures Wohlstandes unter unsere unausgesetzte landesfürstliche Sorge" zu rechnen. Jedem Kenner der Sprache des aufgeklärten Absolutismus musste jedoch aus diesen Worten der deutliche Wille erkennbar sein, das Land an das Gängelband zu nehmen und zu bevormunden. Und so fehlte schon bei den pompösen Übergabefeierlichkeiten jede echte Begeisterung für den neuen Monarchen.

Tatsächlich war der durch zahlreiche Gebietszuwächse stark vergrößerte bayerische Staat unter dem Minister Maximilian von Montgelas darauf aus, die alten und neuen Länder zu einem zentralistisch regierten Einheitsstaat nach französischem Muster zusammenzufügen und dabei die Ideen der Französischen Revolution von "liberté" (Freiheit), "égalité" (Gleichheit) und "fraternité" (Brüderlichkeit) durchzusetzen. In vieler Hinsicht knüpfte Bayern damit wieder an der josephinischen Reformpolitik an, die im konservativen Vorarlberg auf heftige Ablehnung gestoßen war.

Bayern führte eine umfassende Verfassungs- und Verwaltungsreform durch. Gemeinden und Gerichte verloren jede Selbstverwaltung und wurden nach französischem Vorbild zu staatlichen Instanzen umfunktioniert; die landständische Verfassung wurde 1808 gänzlich aufgehoben; vielfach übernahmen altbayerische Beamte die Verwaltungstätigkeit. Steuern, Zölle, Taxen und Abgaben wurden erhöht. Eine Kirchenreform brachte die Aufhebung des traditionsreichen Klosters Mehrerau, die Zerstörung der Kirche, die Verbrennung der Stiftsbibliothek, die Schließung von Kapellen, das Verbot von Prozessionen, die Verstaatlichung der geistlichen Stiftungen usw. Als besonders drückend empfand die Bevölkerung die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht im Dienst der Eroberungskriege Napoleons, mit dem Bayern eng verbunden war. Der so genannte "Weiberaufstand" von Krumbach (Stürmung der Konskriptionsbüros und Vernichtung der Musterungsrollen durch die erbosten Mütter) 1807 richtete sich gegen die Rekrutenaushebungen, denen sich viele junge Vorarlberger durch die Flucht in die Schweiz entzogen.

Der Versuch der neuen Herren, ein bayerisches Staatsbewusstsein zu schaffen, erschöpfte sich weitgehend in ußerlichkeiten: Tragen der weiß-blauen Kokarde, Feiern des Geburtstages des bayerischen Königs oder der Siege Napoleons und Indoktrination der Schulkinder mit den so genannten "Bachersätzen", von denen einer etwa lautete "... beurteile die Mängel und Unvollkommenheiten der Obrigkeit allzeit mit Klugheit, Geduld und Schonung"; oder ein anderer "Die Bayern sind gute, redliche Leute; sie denken ehrlich und aufrichtig und hassen Betrug und Heuchelei."

Ein neuer Krieg zwischen Österreich und Frankreich (auf dessen Seite neben Bayern auch Württemberg stand) führte 1809 zu einer von dem Vorarlberger Generalkommissar Dr. Anton Schneider glänzend organisierten Erhebung des Landes gegen die neuen Herren (parallel dazu lief die Tiroler Erhebung unter Andreas Hofer). Die bayerischen Beamten wurden verhaftet oder verjagt. Die Vorarlberger Landesverteidiger drangen bis Konstanz und Kempten vor, unterlagen aber schließlich der Übermacht. Napoleon forderte die Erschießung Anton Schneiders; doch kam Württemberg diesem Befehl nicht nach. 177 Vorarlberger Geiseln wurden verschleppt, um künftige Aufstände zu verhindern. Napoleon spielte zeitweise mit dem Gedanken, Vorarlberg (und Tirol) der Schweiz anzuschließen, um damit die Eidgenossen aus ihrer Neutralität zu locken.

Bayern verfolgte nach 1809 eine zurückhaltendere Politik, an der nun auch Vorarlberger Deputierte Anteil nahmen. Zu den Neuerungen gehörten vor allem Reformen im sozialen Bereich. So wurden damals etwa die Sanitätssprengel eingeführt, weiters die Feuerversicherungen, die staatliche Fürsorge für entlassene Häftlinge und die Straflosigkeit unehelicher Geburten. Die Diskriminierung der Juden wurde weitgehend abgeschafft. Besonders fortschrittlich war auch das 1813 verkündete bayerische Strafgesetzbuch. Die 1810 erfolgte Umbenennung von Rieden in Karolinenau (nach dem Namen der bayerischen Königin) war ein äußeres Zeichen der jetzt einsetzenden Entspannung. Doch schon wenige Jahre später wechselte Bayern unter dem Eindruck der napoleonischen Niederlage in Russland die Fronten. Im Pariser Geheimvertrag mit Österreich wurde 1814 die Rückgabe Vorarlbergs (und Tirols) abgemacht. Am 7. Juli 1814 beging man im ganzen Lande die Wiedervereinigung mit Österreich mit einem riesigen Fest. Alle Häuser in Bregenz waren mit Transparenten geschmückt, und an der Pforte der Kapuzinerkirche las man eine Inschrift aus dem Hohenlied (5,10): "Mein Liebling ist weiß und rot." Überschattet blieb diese Rückkehr zu Österreich allerdings durch den Verlust des Westallgäus, das als Landgericht Weiler bei Bayern verblieb. Österreich beließ auch einen großen Teil der bayerischen Reformen in Kraft, insbesondere stellte es die althergebrachte landständische Verfassung nicht im vollen Umfang wieder her, wie es ein Vorarlberger Landtag gefordert hatte. So wich die überschäumende Freude bald einer herben Enttäuschung, die sich durch die Hungerkatastrophe von 1816/17

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Bild: Erinnerungstafel an die Übergabe von Vorarlberg an Bayern am 13. März 1806. Links das österreichische, rechts das bayerische Wappen, unten das Wappen der Vorarlberger Landstände
Erinnerungstafel an die Übergabe von Vorarlberg an Bayern am 13. März 1806. Links das österreichische, rechts das bayerische Wappen, unten das Wappen der Vorarlberger Landstände
Bild: Festumzug in Bregenz anläßlich der Rückkehr Vorarlbergs zu Österreich im Juli 1814. Im Mittelpunkt das Portrait Kaiser Franz I.
Festumzug in Bregenz anläßlich der Rückkehr Vorarlbergs zu Österreich im Juli 1814. Im Mittelpunkt das Portrait Kaiser Franz I.
Bild: Am 19. Juni 1814 übergab der bayerische König Maximilian Joseph Vorarlberg per Dekret an den Kaiser von Österreich.
Am 19. Juni 1814 übergab der bayerische König Maximilian Joseph Vorarlberg per Dekret an den Kaiser von Österreich.