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Die Grafen von Montfort

Die genealogisch auf die Pfalzgrafen von Tübingen zurückgehende schwäbische Adelsfamilie wirkte von etwa 1200 bis zum Aussterben des Geschlechtes 1787 durch sechs Jahrhunderte prägend auf die Bodenseeregion, nicht nur politisch, sondern auch in Literatur und Kunst.
Die Söhne des Pfalzgrafen Hugo von Tübingen († 1182), der über seine Ehefrau Elisabeth das Erbe der Grafen von Bregenz (wenn auch in reduziertem Umfang) angetreten hatte, teilten – nach einer längeren gemeinsamen Verwaltung – ihr väterliches Erbe so, dass der ältere Rudolf den Tübinger Besitz, der jüngere Hugo das sich bis nach Oberrätien erstreckende Bregenzer Erbe übernahm. Ab 1200 wurde er unter dem frei gewählten Prunknamen (vielleicht in Anlehnung an die berühmte französische und anglonormannische Adelsfamilie) Hugo I. von Montfort der Stammvater eines neuen Dynastengeschlechtes; zugleich verlegte er das bisherige Herrschaftszentrum von Bregenz in die von ihm in günstiger Verkehrslage gegründete Stadt Feldkirch, wohl nicht zuletzt in der Absicht, seinen Einfluss in Churrätien zu verstärken. Graf Hugo I. gelang in ersten Ansätzen der Aufbau einer Territorialherrschaft, wobei er besonders bestrebt war, die Verkehrswege über die Alpen auszubauen. Die Gründung einer Johanniterkommende in Feldkirch lässt sein starkes Engagement für die Kreuzzugsidee erkennen; wahrscheinlich weilte er wiederholt im Heiligen Land und starb dort 1228 während des Kreuzzugs Kaiser Friedrichs II.

Schon die zweite Generation kündigte die Spaltung der Familie an. Während Hugo II. sich als vehementer Anhänger der Staufer hervortat (der die staufische Politik propagierende Dichter Rudolf von Ems, † 1254, war sein Ministeriale), begründeten die Söhne seines früh verstorbenen Bruders Rudolf I. als Grafen von Werdenberg ein neues Geschlecht, das teilweise in eine heftige Fehde mit den Grafen von Montfort eintrat. Als nachgeborene Söhne aus zweiter Ehe verfolgten Heinrich I. als Mitglied des Dominikanerordens und päpstlicher Pönitentiar und Friedrich I. die päpstliche Linie. Es hat den Anschein, als hätte diese Partei auf dem Konzil von Lyon, das Kaiser Friedrich II. absetzte und den Bann über ihn verhängte, Friedrich I. an die Stelle Hugos II. setzen wollen, doch kam es nach dem Tod des Kaisers 1250 zu einer Verständigung. Der 1. Montforter Teilung um 1258, die die Abspaltung der Grafen von Werdenberg brachte (die sich in den südlichen Landesteilen festsetzten und dort neue Städte in Bludenz, Sargans und Werdenberg gründeten), folgte um 1270 die 2. Montforter Teilung unter den Söhnen Hugos II., aus der drei Linien hervorgingen: Rudolf II. († 1302) begründete die Feldkircher Linie (ausgestorben 1390), Ulrich I. († 1287) die (so genannte ältere) Bregenzer Linie (ausgestorben 1338) und Hugo III. (†1309) die (ältere) Tettnanger Linie (ausgestorben 1574). Zwei Grafen, die eine geistliche Karriere machten, blieben außerhalb dieser Erbteilung: Friedrich II. als Bischof von Chur (1283–1290) und Wilhelm I. als Abt von St. Gallen (1281–1301). Sämtliche Brüder standen in einem heftigen Gegensatz zu König Rudolf I. von Habsburg, da sie während des Interregnums Reichsgut usurpiert hatten, um dessen Revindikation sich der König bemühte. Es kam wiederholt zu kriegerischen Auseinandersetzungen. 1298 scheiterte die antihabsburgische Politik der Grafen von Montfort in der Schlacht bei Göllheim (bei Worms). Die jüngere Generation gab den Widerstand gegen die Habsburger und damit auch eine eigenständige Politik auf. Die Montforter wurden in der Folge Vasallen der Habsburger; alle montfortischen Gebiete gelangten bis 1780 in österreichischen Besitz.

Für die Vorarlberger Landesgeschichte war die Linie von Montfort-Feldkirch die bedeutendste. Mit der Stadt und Herrschaft Feldkirch hatte Rudolf II. den besten Anteil an sich gebracht. Nach dem frühen Tod seines Erben Hugo IV. († 1310) übernahmen dessen geistliche Brüder, Rudolf III. († 1334) und Ulrich II. († 1350), die Regierung. Rudolf III. darf wohl als der bedeutendste Politiker seines Geschlechtes gelten: Der in Bologna ausgebildete Jurist war 1310 Generalvikar von Chur, 1322 Bischof von Chur (bis 1325), 1322 Bischof von Konstanz und 1330/33 daneben auch Administrator der Abtei St. Gallen geworden. Mit Kaiser Ludwig IV. ('dem Bayer') und dem Papst zerstritten, starb er im Kirchenbann, darf aber als der eigentliche Architekt der prohabsburgischen Politik des Hauses Montfort gelten. Sein in den weltlichen Stand zurückgekehrter Bruder Ulrich II. – auch er hatte in Bologna studiert – schloss 1337 den Ewigen Bund mit den Herzögen von Österreich. Seine lange Regierungszeit führte ihn ab 1343 in einen Konflikt mit seinen Neffen, die ihn zu einem Verzicht auf die Herrschaft zwangen. Der letzte Graf der Feldkircher Linie, Rudolf V. († 1390), zunächst viele Jahre Domherr und Dompropst in Chur und erst nach einer späten, kinderlosen Ehe zur Regierung berufen, veräußerte 1375 Stadt und Herrschaft Feldkirch an Österreich, dessen Vögte 1379 in Feldkirch einzogen. Im Zusammenhang mit dem Verkauf gewährte er der Stadt Feldkirch den großen Freiheitsbrief von 1376. Rudolf V. wurde nicht nur dadurch der beliebteste Graf seines Geschlechtes: Er investierte auch den von Österreich erzielten Kaufpreis in eine Stadterweiterung und in viele Stiftungen zu Gunsten der Bürgerschaft.

Die mit dem Tod des Grafen Hugo V. 1338 ausgestorbene Bregenzer Linie wurde durch die (ältere) Tettnanger Linie beerbt. Graf Wilhelm II. von Tettnang († 1354), der die Herrschaften Bregenz und Tettnang wieder vereinigte, kam als kaiserlicher Statthalter in der Lombardei zu großem Reichtum. Seine Nachkommen teilten ihren Besitz wiederholt auf. Alle Grafen von Tettnang machten im Reichsdienst oder auch unter den Habsburgern Karriere und traten nach der Glaubensspaltung für eine kompromisslose Verteidigung der katholischen Konfession ein. Die (ältere) Tettnanger Linie starb 1574 mit dem kunstsinnigen Ulrich VI. aus.

Nach dem Tod Wilhelms II. ("des Reichen") 1354 erbte dessen Sohn Wilhelm III. († 1373) die Herrschaft Bregenz und begründete dort die neuere Linie (Tettnang-)Bregenz. Seine Söhne Konrad I. († 1399) und Hugo XII. († 1423) teilten die Herrschaft Bregenz unter sich auf, was zur Folge hatte, dass Bregenz – in zwei Hälften, 1451 und 1523 – an Österreich überging. Hugo XII., bekannt als der Minnesänger, dessen Name in der deutschen Literatur unsterblich wurde, spielte auch in der habsburgischen Verwaltung eine hervorragende Rolle. Durch mehrere Heiraten gelangte er in der Steiermark und in Kärnten zu einem ausgedehnten Besitz. Von seinen Nachkommen verkaufte Hugo XVII. († 1536), der letzte Graf von Bregenz, sein Erbe 1523 an Österreich, während dessen Bruder Georg III. († 1544) die innerösterreichischen Besitzungen übernahm. Als 1574 die (ältere) Tettnanger Linie mit Ulrich VI. ausgestorben war, wurden die Nachkommen Georgs III., der mit einer illegitimen Tochter des Königs Sigismund I. von Polen verheiratet war, zu den Erben der bereits stark verschuldeten Grafschaft Tettnang berufen. Diese Grafen von Montfort-Bregenz-Peckach-Tettnang verkauften ihren steirischen Besitz, setzten aber gleichwohl die schon traditionelle Schuldenwirtschaft fort, wiewohl sie durch den Dreißigjährigen Krieg stark in Mitleidenschaft gezogen wurden. Ihre Prachtliebe und ihre Bautätigkeit verstrickte sie in immer tiefere Schulden, bis Österreich von Graf Franz Xaver († 1780) gegen die Übernahme der Schulden die Grafschaft Montfort in seinen Besitz überführte. Mit Graf Anton IV., dem Österreich eine kleine Rente ausgesetzt hatte, starb im Jahre 1787 das adelsstolze Geschlecht endgültig aus. Seit 1780 waren alle montfortischen Besitzungen in der Region – Feldkirch (seit 1390), Bregenz (seit 1451/1523) und Tettnang (seit 1780) – in österreichischen Besitz übergegangen. Aus dem Erbe der werdenbergischen Linie war 1420 die Stadt Bludenz mit dem Montafon an Österreich übergegangen.

Besonders herausragende Persönlichkeiten aus dem Hause Montfort waren die geistlichen Herren, insbesondere der St. Galler Abt Wilhelm I. und der Churer bzw. Konstanzer Bischof Rudolf III., die ihr vergrößertes Machtpotenzial auch in den Dienst der Familie stellten. Rudolf III. konnte seine Reformen, die er im rechtlichen und finanziellen Bereich im Bistum Konstanz durchführte, mit Erfolg auch auf die Herrschaft Feldkirch übertragen. Während die Bregenzer Vettern, sieht man von dem Minnesänger Hugo XII. ab, über eine lokale Bedeutung kaum je hinauskamen und sich häufig als kleinliche und tyrannische Potentaten erwiesen, kamen die Feldkircher Grafen ihren Untertanen mit großzügigen Freiheitsrechten und einer Kodifikation des auf reichsstädtischem Lindauer Recht beruhenden Stadtrechtes frühzeitig entgegen und ermöglichten demokratische Strukturen, insbesondere auch eine Mitbeteiligung an politischen Entscheidungsfindungen. So konnte Feldkirch während des Mittelalters Bregenz an Einwohnerzahl, Wirtschaftskraft und politischer Bedeutung weit überflügeln. K.H.B.

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Bild: Der große Freiheitsbrief von 1376 von Rudolf V. für die Stadt Feldkirch
Der große Freiheitsbrief von 1376 von Rudolf V. für die Stadt Feldkirch
Bild: Das Wappen von Montfort-Feldkirch und der österreichische Bindenschild auf dem `Turm der tausend Schilde´ 1325 erstmals vereint – Folge der Politik von Bischof Rudolf III. von Montfort-Feldkirch
Das Wappen von Montfort-Feldkirch und der österreichische Bindenschild auf dem `Turm der tausend Schilde´ 1325 erstmals vereint – Folge der Politik von Bischof Rudolf III. von Montfort-Feldkirch
Bild: Siegel Rudolfs II. von Montfort-Feldkirch, dem Begründer der Linie Montfort-Feldkirch
Siegel Rudolfs II. von Montfort-Feldkirch, dem Begründer der Linie Montfort-Feldkirch
Bild: Die Schattenburg, das Feldkircher Herrschaftszentrum der Grafen von Montfort, Aufnahme um 1900
Die Schattenburg, das Feldkircher Herrschaftszentrum der Grafen von Montfort, Aufnahme um 1900
Bild: Grabplatte des Grafen Hugo I. von Montfort. Zeichnung von Gabriel Bucelin 1642
Grabplatte des Grafen Hugo I. von Montfort. Zeichnung von Gabriel Bucelin 1642