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Dr. Otto Ender 1875-1960

Otto Ender wurde am 24. Dezember 1875 als erster Sohn der Eheleute Hermann und Viktoria Ender in Altach geboren. Die Familien beider Elternteile zählten zur politischen Elite des Dorfes. Der Urgroßvater mütterlicherseits, Johann Walser, war der erste Vorsteher der 1801 geschaffenen Gemeinde. Der Großvater väterlicherseits, Johann Jakob Ender, hatte dasselbe Amt 1835–1844 sowie 1850–1857 inne. 1861–1866 war Johann Jakob Abgeordneter der konservativen Partei im Vorarlberger Landtag. Die politische Karriere des (Ur-)Enkels begann wenige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg. 1910 wurde Otto Ender Mitglied der Landesleitung der Christlichsozialen Partei in Vorarlberg, 1914–1918 deren Obmann. In dieser Funktion entschloss er sich im November 1918 gemeinsam mit Jodok Fink und Franz Loser zur Gründung eines von der Tiroler Verwaltung unabhängigen selbstständigen Landes Vorarlberg. Von Dezember 1918 bis Dezember 1930 und von Juli 1931 bis Juli 1934 war Otto Ender dessen Landeshauptmann. Die vier Landtagswahlen der Ersten Republik (1919, 1923, 1928 und 1932) gewann er für seine Christlichsoziale Partei mit 53 bis 63% der Stimmen. 1930/31 war Otto Ender österreichischer Bundeskanzler, 1934 bis 1938 Präsident des Rechnungshofes in Wien. Die Besetzung Österreichs durch NS-Deutschland im März 1938 bedeutete das Ende für Enders politische Karriere. Von März bis September 1938 war er in Gestapo-Haft, im Frühjahr 1939 wurde er von der NS-Regierung zwangspensioniert und bis zum Kriegsende 1945 des Landes verwiesen. Ender wurde während der NS-Herrschaft in Österreich 1938 bis 1945 insbesondere wegen seiner führenden Rolle im so gennanten Ständestaat zwischen 1934 und 1938 politisch verfolgt. Er hatte 1934 die Verfassung für den 'christlichen deutschen Bundesstaat Österreich' entworfen. Dieser war als autoritäre Antithese zum deutschen Nationalsozialismus gedacht und sollte einen Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland verhindern helfen. Zu den Grundideen des so genannten Ständestaates zählte ein Verbot sämtlicher politischer Parteien und Organisationen sowie die Gliederung der Gesellschaft entlang von Berufsgruppen. Bei Wahlen, etwa zu Gemeinderäten oder Landtagen, wären nicht Parteien, sondern Vertreter von Bauern, Gewerbetreibenden oder Selbstständigen als Mandatare angetreten. Enders Verfassung wurde jedoch von den Regierungen Engelbert Dollfuß (1933/34) und Kurt Schuschnigg (1934–1938) nicht in die Realität umgesetzt. Wahlen wurden etwa nur einmal, 1936 zur Vorarlberger Bauernkammer, durchgeführt. Nach 1945, in den Jahren des Wiederaufbaus und der Etablierung der Zweiten Republik, nahm Otto Ender aus Altersgründen keine politischen mter mehr wahr.

Seine christliche Grundhaltung hatte Otto Ender während seiner Studienzeit am Jesuitenkolleg Stella Matutina in Feldkirch von 1888 bis 1896 gefestigt. Nach der Matura 1896 studierte er in Innsbruck, Wien, Prag und Freiburg in der Schweiz Rechtswissenschaften. 1901 wurde er an der Universität Innsbruck zum Doctor iuris promoviert. 1901/02 absolvierte er ein Rechtspraktikantenjahr am Kreisgericht Feldkirch. Von 1902 bis 1908 war er Rechtsanwaltskonzipient in Feldkirch und Wien. 1908 eröffnete er in der Bregenzer Rathausstraße 35a seine eigene Kanzlei. Im selben Jahr heiratete er die Schweizer Staatsbürgerin Maria Rusch, mit der er vier Söhne und drei Töchter hatte. Ruschs Vater, Großvater und Urgroßvater waren Landammänner im Kanton Appenzell. In den Folgejahren engagierte Ender sich vermehrt in der Öffentlichkeit. Er hielt Vorträge über die Einführung des Grundbuches und war während des Besuchs von Kaiser Franz Joseph I. in Bregenz 1909 Presseverantwortlicher. Die Öffentlichkeitsarbeit zählte auch zu seinen Aufgaben als stellvertretender Obmann des katholischen Turndachverbandes "Vorarlberger Rheingau" zwischen 1906 und 1914. Diese Funktion legte er 1914 zurück, da er in diesem Jahr zum geschäftsführenden Direktor der Landeshypothekenbank ernannt worden war, 1915 erfolgte die Definitivstellung. Nach dem Kriegsbeginn im Sommer 1914 wurde er Leiter der Landeseinkaufsstelle und der Bregenzer Außenstelle der Kriegsgetreideverkehrsanstalt sowie Mitglied im Landeskomitee für soziale Fürsorge. 1915 bis 1918 war er Mitglied des Ernährungsrates in Wien, 1917/18 Obmann des Baukomitees zur Errichtung der Lungenheilstätte Gaisbühel. Die Kriegsjahre 1914–1918 ermöglichten Ender eine Erweiterung seiner beruflichen Qualifikation vom anerkannten Juristen und Medienfachmann zum effektiven Bankmanager und Organisationsprofi. Dieser reiche berufliche Erfahrungsschatz war das Fundament, auf dem er in der Zwischenkriegszeit seine erfolgreiche politische Karriere aufbauen konnte. Diese war nicht frei von autoritären Zügen. Ender bestand etwa auf der alleinigen Befehlsgewalt des Landeshauptmannes über den Vorarlberger Heimatdienst, eine 1927 aus bürgerlichen antimarxistischen Selbstschutzorganisationen gegründete paramilitärische Organisation. Im Juli 1927 setzte er den Heimatdienst gegen streikende Vorarlberger Arbeiter ein. Nach dem Scheitern seiner Bundesregierung im Juni 1931 erklärte er dem österreichischen Bundespräsidenten, nur dann zur Bildung eines weiteren Kabinetts bereit zu sein, wenn er die Vollmacht erhielte, wirtschaftliche und politische Reformen notfalls auch per Verordnung durchzusetzen. Unbestritten sind seine Verdienste als Gründer und Gestalter des Landes Vorarlberg; in wirtschaftspolitischer Hinsicht etwa durch die Gründung der Agrarbezirksbehörde, durch den Beginn des Ausbaus des Straßennetzes in den 1920er Jahren, durch die Errichtung einer landwirtschaftlichen Fachschule, durch den Ausbau der Vorarlberger Wasserkräfte mit dem Kauf der Vorarlberger Kraftwerke und der Gründung der Vorarlberger Illwerke; in verwaltungstechnischer Hinsicht etwa durch die Organisation und Etablierung einer autonomen Vorarlberger Landesverwaltung; in rechtshistorischer Hinsicht etwa durch die Mitarbeit an der demokratischen Bundesverfassung von 1920 und der demokratischen Landesverfassung von 1923. Die Einschätzung der Mittel und Wege, die bei der Umsetzung dieser Verdienste ergriffen wurden, sind notwendigerweise unterschiedlich: Für das eigene politische Lager war Otto Ender "Vorarlbergs größter Sohn" (so das christlichsoziale "Vorarlberger Volksblatt" in einem Nachruf 1960). Der politische Gegner verwendete in den 1920er und 1930er Jahren das Bild vom "Lande Ender Paschas", um den politischen Stil Otto Enders zu beschreiben.

Otto Ender starb am 25. Juni 1960 und wurde auf dem städtischen Friedhof in Bregenz beigesetzt. W.W.

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Bild: Bundeskanzler Dr. Otto Ender
Bundeskanzler Dr. Otto Ender
Bild: Landeshauptmann Dr. Otto Ender als Festredner bei der Wimpelweihe der Vorarlberger Heimwehr in Dornbirn 1929
Landeshauptmann Dr. Otto Ender als Festredner bei der Wimpelweihe der Vorarlberger Heimwehr in Dornbirn 1929